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Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Titel: Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clemens
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wälzte sich ein Sturm heran, geballte kalte und warme Luftmassen türmten sich übereinander. Salzduftende Feuchtigkeit stieg himmelwärts. Blitze zuckten durch die Wolken und erschütterten seine Sinne. Noch weiter entfernt entstand eine Windfront und schickte sich an, wie eine Brandungswelle über das Hochland hereinzubrechen.
    Der Himmel rüstete ebenso zum Krieg wie das Land. Noch vor Tagesanbruch würde es so weit sein. Er musste die anderen warnen, aber das hatte noch etwas Zeit. Er schlug die Augen wieder auf. Bisher war der Himmel noch klar. Nur ein paar hohe Wolken zogen rosig leuchtend vor dem blutig violetten Himmel durch die Abenddämmerung. Dahinter ging die Sonne unter. Im Osten war der Himmel bereits dunkel, und die ersten Sterne funkelten.
    Neben ihm richtete sich Ni’lahn auf. »Wir nähern uns den verbrannten Bäumen.«
    Merik nahm einen tiefen Atemzug. Es roch nach verbranntem Holz, aber nicht stärker als bisher. Unten im Vorgebirge marschierten die Og’er durch gesunde Wälder und über grüne Wiesen. Für ihre Größe kamen sie erstaunlich schnell voran. Sie erinnerten Merik an Felsblöcke, die von einem Berggipfel talwärts rollten.
    Er dehnte seine Suche bis an den dunklen Horizont aus, aber er sah nur lebendiges Grün. »Ich kann den zerstörten Hain nicht finden.«
    Ni’lahn stützte sich auf die Reling. »Aber ich kann ihn spüren.« Sie hob die Hand an die Stirn und legte sie dann auf ihr Herz. »Er schmerzt mich mehr als die Fäule. Ringsum erklingt das Waldlied so hell und rein wie der Frühling im Hochland, doch von vorn nähert sich unaufhaltsam ein schriller Missklang nicht die Stille meiner verwüsteten Heimat, sondern der Schmerzensschrei grausam gefolterter Lebewesen.« Sie hielt sich die Ohren zu.
    Merik stützte sich mit der Hüfte gegen die Reling und zog sie in seine Arme. »Hör nicht hin«, flüsterte er. »Diese Klage wird die letzte sein, das verspreche ich dir. Wir werden siegen.«
    Sie schmiegte sich an ihn. »Ich hoffe es so sehr, aber …«
    Er brauchte keine besondere Magik, um zu erraten, woran sie dachte. »Rodricko ist in Sicherheit«, versicherte er ihr. »Scheschon und der Junge sind bei Kast auf der Drachenherz, und dort kann ihnen nichts geschehen.«
    Ni’lahn stieß einen Seufzer aus. »Wenn erst der Tag anbricht, gibt es keine Sicherheit mehr.«
    Er drückte einen sanften Kuss auf ihr honiggoldenes Haar. Sie duftete nach Rosen und Orangenblüten. »Dein Sohn steht unter einem besonderen Schutz.«
    Sie antwortete mit einem nahezu unverständlichen Gemurmel, und er verbesserte sich sofort. » Unser Sohn.« Sie hatten einander bei Sonnenaufgang das Jawort gegeben. Der weite Himmel über und die Wälder unter ihnen waren die einzigen Zeugen gewesen. Vielleicht hätten sie später keine Gelegenheit mehr dazu gefunden. Den Mund zu halten und sein Herz zu verschließen wäre töricht gewesen. In diesen Wäldern waren sie sich zum ersten Mal begegnet, uralte Feinde, voll bitteren Grolls. Doch jetzt, am Ende eines langen Weges voller Entbehrungen und Verluste, war die Gegenwart wichtiger geworden als die Vergangenheit. Er suchte ihre Hand. Sie schlangen ihre Finger ineinander, und ihre Herzen berührten sich.
    »Die Finsternis ist nahe«, flüsterte sie.
    Wieder richtete Merik den Blick auf den schon nächtlichen Himmel. Dicht am Horizont wurde der grüne Wald unversehens schwarz. Eine Rauchsäule, dunkler noch als die Nacht, stieg himmelwärts. Er konnte das Waldlied nicht hören, doch die Qualen des gemarterten Landes gellten auch ihm in den Ohren.
    Mit einem Mal überkam ihn der Wunsch, die Winde zu rufen, seinem Vetter das Schiff zu entführen und damit weit fort zu fliegen. Dieses Land, diesen geschändeten, öden Boden zu betreten wäre der sichere Tod. Er drückte Ni’lahn noch fester an sich.
    Der Sturm hinter dem Horizont dröhnte ihm in den Ohren, ließ sein Herz dumpf pochen und versetzte seine Knochen in Schwingungen. Wie ein Blitzableiter vibrierte er unter seinen Energien.
    Offenbar hatte auch Ni’lahn ihn gespürt. Sie hob den Kopf und schaute mit ihm nach Osten. Die grünen Hügel endeten an einer scharfen Grenze. Dahinter erstreckte sich der verbrannte Wald, so weit das Auge reichte. »Dies ist das Ende der Welt.«
    Er’ril hatte nicht gewollt, dass Elena mit nach oben kam, doch ihr stahlharter Blick hatte ihm gesagt, dass jeder Widerspruch zwecklos war. Als er jetzt im Mondlicht ihr erschüttertes Gesicht sah, wünschte er sich, er hätte sie

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