Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
aufhörte.
Es dauerte lange, bis sie die Sprache wiederfand. »Wenn du nicht an das Blut gedacht hättest …«, begann sie und sah zu ihm auf.
»Still«, flüsterte er. »Ich hatte dich doch zur Frau gemacht, glaubst du, das könnte ich so schnell vergessen?«
Sie sah ihm in die Augen und entdeckte eine Spur von Schuldbewusstsein, vermischt mit einer Verantwortung, die ihn schier erdrückte. Sie strich ihm über die Wange. »Wenn du nicht daran gedacht hättest … wie leicht hätten wir heute alles verlieren können.«
Er drückte sie nur noch fester an sich. Aber unten wurden weiter die Hörner geblasen; sie konnten die Welt nicht ewig ausschließen. Endlich trat er zurück, holte Schattenklinge aus der Ecke und steckte das Schwert in die leere Scheide.
Dann sah er sie fest an. »Greschyms Wiederauftauchen irgendwie hatte Joach damit zu tun, nicht wahr?«
Elena nickte. »Es ging ihm um Kesla er wollte sie auferstehen lassen, und Greschym hatte ihm wohl im Gegenzug für seine Freiheit eine geeignete Magik oder einen Bann geboten.«
Er’ril schaute zur Tür. »Wenn man sich erst auf den Weg der Finsternis begeben hat … Können wir ihm noch trauen?«
Auch Elena starrte in die Richtung und überlegte lange, obwohl sie es erschreckend fand, dass sie überhaupt Zweifel hatte. Schließlich flüsterte sie kaum hörbar: »Ich weiß es nicht.«
Es war schon weit nach Mittag, und Joach hatte immer noch den bitteren Geschmack des Drachenbluts auf der Zunge. Das Zeug hatte zwar die Schmerzen im Bauch geheilt, die von Greschyms Magik Angriff zurückgeblieben waren, aber gegen sein wundes Herz half es nur wenig.
Er stand am Bug der Windfee. Sein Haar war triefend nass, und der Regen lief ihm in Strömen über den Nacken und den Rücken hinunter. Doch er zitterte nicht einmal mehr. Die Kälte in seinem Inneren war schlimmer. Er hob das Gesicht zum dunklen Himmel empor. Obwohl es bereits Mittag war, lag die Welt noch immer im Zwielicht.
Würde es denn niemals wieder hell werden?
Er umfasste seinen Stab mit festem Griff und schaute nach unten. Er wollte in der kommenden Schlacht seinen Mann stehen. Er würde nicht versagen.
Doch Elenas Augen verfolgten ihn noch immer. Sie hatte nach dem Kampf mit Greschym genau das gesagt, was er hören wollte: Sie habe ihm verziehen, er sei immer noch ihr Bruder. Aber in ihren Augen hatte er anderes gelesen. Ihr Verhältnis war nicht mehr so eng und herzlich wie früher. Und das war die Wunde, die nicht einmal mit Drachenblut zu heilen war.
Er verschloss die Augen vor diesem Schmerz. Es gab noch etwas, was ihm keine Ruhe ließ: Greschym war tot. Joach selbst hatte in blinder Wut den Leichnam des Dunkelmagikers mit Bösefeuer zu Asche verbrannt. Aber seine Genugtuung war nicht allzu groß … eigentlich sogar im Gegenteil. Gewiss, er hatte Greschym von Herzen gehasst. Der Magiker hatte ihm alles genommen: die Eltern, die Jugend, die Frau, die er liebte … und jetzt sogar die Zuneigung seiner Schwester. Dennoch war ihm an diesem Morgen auch ein wichtiger Schlüssel zu seiner eigenen Identität für immer verloren gegangen.
Was hätte ich nicht alles aus dir machen können …
Greschyms letzte Worte nagten an ihm. Mit dem Tod des Magikers war für Joach jede Hoffnung zerstört, seine eigene Magik jemals in ihrer ganzen Breite und Tiefe erforschen zu können. Er schüttelte den Kopf. In seinem wunden Herzen flackerte ein Zornesfunken auf.
Vielleicht hatte Elena überstürzt gehandelt. Wenn sie noch ein wenig gewartet hätte …
»Bist du bereit?« riss ihn Harlekins Stimme aus seinen Gedanken.
Joach öffnete die Augen und kehrte in die Gegenwart zurück.
Unten machten sich die beiden Heere Og’er und Si’lura zum Sturm auf die Grube bereit. Den ganzen Morgen waren sie marschiert, nun befanden sie sich nur noch einen Steinwurf vom Kraterrand entfernt. Über Mittag hatten sie sich hier verschanzt, ihre Verwundeten versorgt und letzte Vorbereitungen getroffen.
Dort unten war es bedrohlich still. Nur hin und wieder rollte ein Donnerschlag über das verwüstete Tal. Die ganze Welt hielt den Atem an.
»Joach?« fragte Harlekin wieder.
Joach drehte sich zur Seite und schaute über das Deck. Alle waren versammelt, hatten ihre Bündel auf dem Rücken und die Waffen umgeschnallt. Er begegnete Elenas Blick. Sie nickte ihm aufmunternd zu. Sie trug wie der Ritter an ihrer Seite schwarze Stiefel und einen dunklen Umhang. Joach sah den Rosengriff an ihrer Hüfte blitzen: Sie hatte sich
Weitere Kostenlose Bücher