Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
gewöhnt hatten, erschienen ihm die brennenden Ölpfützen nach den Blitzen erschreckend matt.
»Du hast es geschafft«, sagte Magnam und erhob sich.
Jerrick stand immer noch aufrecht, doch nun gaben seine Beine nach, und er sank in sich zusammen. Der Sumpfmann konnte gerade noch verhindern, dass er mit dem Kopf auf dem Felsboden aufschlug.
»Kapitän Jerrick!« rief Jaston.
»Keine Kraft mehr …«, flüsterte der Elv’e. Seine Lider schlossen sich zitternd. »Freda …«
Jaston hielt ihn in den Armen. Jerricks Haut blieb durchsichtig, er atmete flach.
Mogwied kniete auf seiner anderen Seite nieder. »Wird er sich wieder erholen?«
Der Sumpfmann runzelte besorgt die Stirn. »Ich weiß es nicht. Ich fürchte, er hat nicht nur mit dem Herzen des Sturms auf die Dämonen eingeschlagen, sondern auch mit seinem eigenen.«
Auch Mogwied hielt das durchaus für möglich. Nicht einmal Merik hätte ohne weiteres solche Kräfte entfesseln können.
Der Elv’en Kapitän nahm einen letzten tiefen Atemzug und ließ die Luft ausströmen. »Meine Liebste …«
Mogwied glaubte, eine Antwort zu hören, eine Stimme, die aus weiter Ferne die entsprechenden Worte flüsterte. Aber vielleicht war es nur ein Echo. Danach regte sich Jerrick nicht mehr.
»Er ist tot«, sagte Jaston.
Magnam war zu ihnen getreten und schaute nach vorn. Fünf oder sechs Og’er waren dabei, ihren Schreck zu überwinden und sich aufzurappeln. »Ich sehe Tol chuk nicht.«
Der Zwerg hatte Recht. Ein einzelner Og’er Hun’chua, der Anführer des Clans drängte sich durch die Gruppe, stieg über die Leichenberge hinweg und kam auf sie zu. Er warf nur einen Blick auf den hingesunkenen Jerrick, dann drückte er die Faust an die Stirn und ehrte den Toten mit gesenktem Kopf. »Er starb wie ein Krieger. Wir werden sein Andenken bewahren.«
»Aber das können wir nur, wenn wir hier überleben«, gab Magnam zu bedenken. »Wo ist Tol chuk?«
Hun’chua ließ den Arm sinken. »Er hat allein den Kampf mit der Spinnenhexe aufgenommen.«
»Was?« keuchte der Zwerg. »Und das hast du zugelassen?«
Hun’chua sah so schuldbewusst drein, wie das einem Og’er überhaupt möglich war. »Er hat mich fortgeschickt.«
»Und du hast ihm gehorcht?« Magnam verdrehte ungläubig die Augen. »Was ist geschehen?«
Hun’chua berichtete rasch von Vira’ni und der Höhle am Ende des Tunnels.
»Noch mehr von diesen Kreaturen«, seufzte Magnam und schaute besorgt in die Runde. »Eine Axt, ein Schwert, ein Dolch und zwei Og’er Fäuste gegen eine Spinnenkönigin und ihre Horde. Nicht die besten Voraussetzungen für einen glanzvollen Sieg.«
Mogwied stand auf und schlang sich die Arme um die Brust. »Und was sollen wir deiner Meinung nach tun?«
Der Zwerg sah ihn mit seinen harten Augen an. »Ich hätte da eine Idee.«
»Nämlich?« fragte Jaston und ließ den Elv’en Kapitän behutsam zu Boden sinken.
Magnam würdigte den Sumpfmann keines Blickes. Seine Augen blieben auf Mogwied gerichtet. »Es hängt alles von dem hier ab.«
Mogwied trat einen Schritt zurück. »Von mir?«
Tol chuk richtete sich auf und blickte zurück zum Drachenauge, dem Eingang der riesigen Höhle. Der Donner verklang allmählich. Eben waren aus dem Auge noch Blitze in die Höhle gezuckt wie gespaltene Schlangenzungen, doch auch sie waren wieder verschwunden.
Ohne eine Erklärung für das Schauspiel gefunden zu haben, wandte er sich ab. Das Herz hielt er fest in einer Hand. Seine Lungen brannten, ätzender Schwefelgeruch füllte seine Nase.
Einige Schritte weiter stand Vira’ni jenseits des feurigen Spalts und starrte noch immer auf das Auge. Ihre Züge waren starr vor Entsetzen. Das dunkle Haar klebte, durchnässt von den ständig aufsteigenden Dampfschwaden, an der fahlen Haut. Von der Gürtellinie abwärts hatte sie den Körper einer Spinne. Auf dem rubinrot glänzenden Hinterleib schimmerten viele kleine Kondenswasserperlen.
Die Dämonenbrut hing wieder so reglos an der Decke, als hätte sie sich in Tropfstein zurückverwandelt.
Tol chuk suchte nach einer Waffe, solange die Hexe noch abgelenkt war. Ringsum lagen die Angehörigen der anderen Clans; Spinnennetze mit seildicken Fäden verhüllten die noch atmenden Körper. Keiner der Og’er war bewaffnet. Kein Og’er hatte gewagt, diesen heiligen Ort mit einer Keule oder einer Steinaxt zu betreten.
Tol chuk war ratlos. Er wusste nur, dass zwei der Og’er Jungen in Gefahr waren, von der Hexe in den feurigen Spalt geworfen zu werden.
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