Alaska
sie trat, nicht als Lehrerin, sondern als einfache, liebenswerte junge Frau aus Utah, um sie an ihren importierten Vorstellungen, zutreffenden und absurden, über das Leben der Eskimos teilhaben zu lassen.
»Aus einem Grund, den ich nie verstanden habe, wurde irgendwann im amerikanischen Schulsystem entschieden, dass das dritte Schuljahr die ideale Stufe ist, den Kindern was über die Eskimos zu erzählen. Es wurden Bücher geschrieben und Lehrmaterial entwickelt, und eine Firma verkaufte sogar alles, was man für den Bau eines Iglus brauchte. Ich habe die Unterrichtseinheit über Eskimos insgesamt dreimal durchgenommen, und bei den Iglus war ich wirklich gut. Bei mir haben die Schüler tatsächlich in einem Iglu gelebt. Und dann komme ich hierher mit Mr. Rostkowskys Superjet, und was sehe ich? Nicht einen einzigen verdammten Iglu.«
Der Gebrauch des Schimpfwortes schockierte ein paar, die meisten waren eher freudig überrascht, und sie fuhr fort, respektlos ihre eigenen verkehrten Vorstellungen über das Leben der Eskimos ins Lächerliche zu ziehen. Mit lebhaften Worten, Gesten und rührenden Anekdoten machte sie sich über sich selbst lustig, doch als das Publikum anfing, mit ihr zu lachen, wurde sie auf einmal wieder ernst:
»Meine Lehrbücher haben mir aber auch viel wahre Dinge über euer Volk beigebracht. Über eure Liebe zum Meer und eure tapferen Jäger, die ins Eis ziehen und gegen den Polarbären kämpfen und Jagd auf Walrosse machen. Über eure Feste und das Nordlicht, das ich noch nie gesehen habe. Und ich hoffe, dass ihr mir in den Jahren, die wir zusammen verbringen werden, noch viele andere Seiten eures Lebens zeigen werdet, denn ich bin auch gekommen, um zu lernen.«
Sie mühte sich besonders, ihren Schuldirektor zum Freund zu gewinnen, aber in der ersten Zeit wirkte der große, etwas tolpatschige Mann auf sie wie jemand, der keinen Wert auf Freundschaften legt, schon gar nicht mit einer jungen forschen Lehrerin, die ihm möglicherweise seine führende Stellung an der Schule streitig machen wollte. Die Situation blieb so gespannt, dass sie ihn eines Tages, Ende August, nachdem sie mehr als dreimal zurückgewiesen worden war, auf der gemeinsamen Veranda abpasste und ihn direkt darauf ansprach: »Mr. Hooker, wollen Sie nicht einen Moment hereinkommen?« Verlegen nahm er in ihrem Wohnzimmer Platz, und sie fing an: »Mr. Hooker ...«, als er unterbrach: »Sie können Kasm zu mir sagen.« Sie lachte und entgegnete: »Ich habe ja schon von Ihrem Namen gehört. Da haben Sie sich ja elegant aus der Affäre gezogen, das muss man Ihnen lassen«, worauf er dünn lächelte.
Sie fuhr fort: »Ich habe viel auf mich genommen, damit ich hier an Ihrer Schule unterrichten kann, aber ich kann keine gute Arbeit leisten, wenn ich nicht Ihre Hilfe und Unterstützung habe.« Er nickte und sagte: »Ich stehe Ihnen jederzeit mit meinem Rat zur Verfügung«, doch reichte ihr dieses leicht daher gesagte Versprechen nicht. »Die Kinder haben mir erzählt, Sie hätten meine Vorgängerin verloren, weil Sie sie wie eine Ausgestoßene behandelt hätten.«
»Wer hat das gesagt?«
»Die Kinder. Sie sagten, Sie hätten sie zum Weinen gebracht.«
»Sie war inkompetent, und Mr. Afanasi wusste das auch. Er war derjenige, der zu ihr meinte, in Amerika wäre sie wohl besser aufgehoben.«
»Aber Sie hätten ihr doch Ihre Hilfe anbieten können, Mr. Hooker ... ich meine, Kasm.«
Der hoch aufgeschossene Mann umklammerte mit beiden Händen seine Knie, als müsse er sich vor irgendwas beschützen, und gestand mürrisch: »Unter anderen Umständen, vielleicht .. .«
»Mit mir werden Sie das Problem nicht haben, Kasm. Mir gefällt es hier. Ich bin hierhergekommen, um den Kindern etwas beizubringen und Ihnen und Mr. Afanasi dabei zu helfen, damit die Schule erfolgreich ist.« Die von ihr geschickt eingestreute Erwähnung Afanasis erinnerte Mr. Hooker an die Tatsache, dass sie mit diesem mächtigen Mann aus dem Dorf bereits eine Freundschaft verband, und er wollte schon einlenken und gerade etwas Versöhnliches sagen, als ein Signal durch das Dorf tönte, das wohl wichtigste Geräusch des Jahres: das Tuten der rauchenden Schornsteine, die die Ankunft eines Dampfers ankündigten. Und selbst die Älteren und Gesetzteren unter den Bewohnern liefen durch die sommerlichen Straßen und riefen: »Das Schiff ist da!« Tatsächlich, da war es, ein ganzes Warenlager im Tau eines großen Schleppdampfers.
Die Ankunft löste ein zwei Tage währendes
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