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Alaska

Titel: Alaska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Albert Michener
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zeigten sie nach hinten auf die Chukchisee im Rücken, deren eisfreie Wellen bis auf ein paar Meter an das Dorf heranreichten. »Wenn der Dezember naht und der Wind übers Eis fegt, dann müssen Sie was Warmes zum Anziehen haben.« Aber als Kendra die Preise hörte, die sie für eine Winterausrüstung zahlen musste , verschlug es ihr die Sprache. »Angefangen bei Mukleks, unseren Seehundslederstiefeln«, sagten sie. »Mit warmen Füßen lässt sich jede Schlacht gewinnen.«
    Sie erfuhr, dass es zwei Möglichkeiten für sie gab. »Sie noch junge Lehrerin, also nicht viel Geld; Geschäft verkaufen billige Sorrel Packs, maschinell hergestellt, Gummi, Einlegesohlen aus Filz, gefüttert, ganz gut. Wenn Sie wie ein richtiger Eskimo gekleidet sein wollen, dann Mukleks, Sohlen aus Seehundsleder, Schaft aus Karibuleder, bis zu den Knien, Socken aus Bieberlamm, insgesamt zweihundertfünfzig Dollar.«
    Kendra brauchte nur kurz nachzudenken: »Wenn ich mich schon einmal für das Land des Eskimos entschieden habe, dann will ich meine Sache auch gründlich machen. Also echte Mukleks.«
    Beim Parka, dem Herzstück der sichtbaren Eskimotracht, bot sich dieselbe Wahl: »Bei J. C. Pennys gibt’s den handelsüblichen, ganz gut, für dreihundert Dollar, wird auch von vielen Eskimos getragen, weil echte zu teuer.«
    »Wie teuer?« Aber bei der Antwort wurde ihr schwindelig: »Felle, Näharbeit, Pelzbesatz für Gesichtsschutz ...« Die Liste seltsamer Namen und Artikel nahm kein Ende. »Insgesamt ungefähr achthundert Dollar.«
    Die Summe ließ Kendra erst einmal schlucken. Zu Hause durfte sie nie mehr als dreißig Dollar für ein Kleid ausgeben, und so fragte sie jetzt, nachdem sie ein paarmal schwer geatmet hatte: »Sähe das auch nicht albern aus, wenn ich einen gekauften Parka und echte Mukleks tragen würde?« Die Frauen berieten kurz über dieses schwierige Problem und gaben dann einstimmig zur Antwort: »Doch!« Ohne einen Moment zu zögern, sagte Kendra fast froh: »Dann soll es also der echte Eskimoparka sein.«
    Da sie die Frauen mit ihren Fragen nach Geld, vor allem einer bestimmten Frage, nicht beleidigen wollte, wartete sie so lange, bis sie mit den Hookers allein war: »Wie können sich die Frauen diese Preise leisten? Und das Geld, das sie beim Bingo einsetzen?«
    Mrs. Hooker musste lachen: »Miss Scott, die Frauen haben Geld wie Heu! Ihre Männer auf den Ölfeldern von Prudhoe bekommen unvorstellbare Gehälter. Und dazu natürlich den Jahresbonus von der Regierung.«
    »Was für einen Bonus?«
    »Wir zahlen keine Steuern in Alaska, das Geld aus den Ölquellen fließt so reichlich. Die Regierung zahlt umgekehrt an uns. Ich habe gehört, dieses Jahr sollen es um siebenhundert Dollar sein.«
    Als die Näherinnen Kendra mit ihrer neuen Winterkleidung schmückten, der Kapuzenrand ihr Gesicht einrahmte und der ausladende Parka die Konturen ihres Körpers verschwinden ließ, sah sie aus wie jede andere Eskimofrau, ein rundes, watschelndes, wohlgeschütztes Bündel, und sie fing an zu schwitzen. Aber die Frauen versicherten ihr: »Kann sein, im Dezember reicht der Parka vielleicht gar nicht mehr.« Und wieder zeigten sie geheimnisvoll auf das Meer. »Die Winde aus Sibirien. Sie werden schon sehen.« Dann sagte eine von ihnen feierlich: »Ihr Name jetzt Kunik. Bedeutet Schneeflocke. Sie, ich, alle, wir dich Kunik nennen«, und als Kunik setzte die neue Lehrerin ihre Bemühungen fort, die Lebensweise der Eskimos zu verstehen und von der Gemeinschaft akzeptiert zu werden.
     
    Am ersten Schultag erlebte Kendra eine ganze Reihe Überraschungen, manche angenehm, manche weniger angenehm. Als sie das höhlenartige Klassenzimmer betrat, das annähernd vierzig Schüler gefasst hätte, fand sie auf ihrem Schreibtisch einen Strauß vor, geflochten aus Seetang und einer Art Heidekraut. Noch nie hatte sie Blumen geschenkt bekommen, die sie stärker gerührt hatten als diese. Der Atem stockte ihr, als sie versuchte, zu ergründen, wer für diese Geste der Freundschaft verantwortlich war, aber sie kam zu keinem Schluss .
    Als eine Schiffsglocke auf dem Dach der Schule die sechzehn Schüler zum Unterricht rief, gingen dreizehn Kinder nach links in die Grundschulklasse von Mr. Hooker, während drei ältere Schüler, ein Mädchen und zwei Jungen, nach rechts zu Kendra gingen. Als die drei vorne im Zimmer Platz genommen hatten, machte der Raum immer noch einen ziemlich leeren Eindruck, und sie erkannte, dass es ihre Aufgabe sein würde, ihn mit

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