Alaska
halten ihn für den besten Lehrer in North Slope, eine Meinung, die ich teile. Anfang Vierzig, dünn wie eine Bohnenstange und verheiratet mit einer Frau, die ihn bewundert. Er ist aus Norddakota zu uns gekommen, Gott weiß, wieviel Jahre das jetzt her ist. Sein größtes Verdienst, Miss Scott, und bitte vergessen Sie das niemals, ist, was er mit Basketball erreicht hat. Wenn Sie ihm dabei behilflich sind, dann wären Sie von unschätzbarem Wert für unsere Schule.«
»Woher hat er diesen seltsamen Vornamen? Klingt irgendwie religiös.«
»Nein, nein. Hooker kommt aus sehr bescheidenen Verhältnissen. In keiner Weise gebildet. In der ersten Zeit faselte er in der Schule immer von › that chasm, that lies ahead ‹ - dem Abgrund, der vor uns liegt -, aber er sprach das › ch ‹ ganz weich aus. Nachdem er es immer wieder falsch ausgesprochen hatte, offensichtlich war es nämlich ein Lieblingswort von ihm - die ganze Welt stand seiner Meinung nach vor den schrecklichsten Abgründen -, kam eines Tages einer seiner Schüler zu mir und sagte: › Mr. Hooker ... er redet immer von ,chasms‘, aber er spricht es falsch aus. ‹ Ich ging also in sein Zimmer, er war damals noch nicht verheiratet, und sagte ihm direkt ins Gesicht: › Es heißt ,chasm‘, Mr. Hooker, und wird wie ,kasm‘ ausgesprochene In seiner Naivität betrat er am nächsten Tag das Klassenzimmer seiner Grundschüler und erzählte ihnen: › Mr. Afanasi war so freundlich, mir zu sagen, dass das, was ich immer als ,chasm‘ bezeichnet habe, eigentlich ,kasm‘ ist ‹ , und seitdem sagen alle im Dorf nur › Kasm ‹ Hooker zu ihm. Sie werden noch erleben, wie sie ihm zujubeln bei den Basketballspielen. Er ist jeden einzelnen Penny der neunundvierzigtausend Dollar wert, die wir ihm zahlen.«
Kendra, verwundert über ein so hohes Gehalt, fragte: »Und wieviel bekommt seine Frau?« Und Afanasi antwortete: »Sie hat jahrelange Erfahrung. Neunundvierzigtausend Dollar.« Als er gegangen war, rechnete sie die Gehaltsliste ihrer Schule einmal zusammen, und als sie die Summe auf dem Papier sah, staunte sie nicht schlecht: »Einhundertachtundachtzigtausend Dollar für sechzehn Kinder!« Und dabei hatte sie weder die 2 2 . 000 Dollar berücksichtigt, die noch eine Teilzeitangestellte bekam, eine anerkannte Expertin, die versuchte, den Schülern ihre ursprüngliche Inupiat-Sprache beizubringen, die sie zugunsten von Englisch vernachlässigten, noch die 4 3 . 000 Dollar für den Hausmeister, der das Gebäude in Ordnung hielt. Die Gesamtkosten, wie sie später erfuhr, beliefen sich auf 25 3 . 000 Dollar, umgerechnet 1 6 . 000 Dollar auf jedes Kind - nur für die Gehälter.
In der Nacht, der ersten im neuen Bett, wachte sie um Viertel vor drei auf, setzte sich kerzengerade hin und lief dann zu ihrem Schreibtisch, auf dem noch das Bestellformular von Ross & Raglan neben dem dazugehörigen Umschlag lag. Sie griff sich einen Stift und fügte der Liste da, wo unter der Rubrik »Vermischtes« noch ausreichend Platz war, hinzu: ganze Pekannüsse, acht Pfund; Karosirup, acht 1-Liter-Flaschen; Goldorangen, ein Dutzend Konserven. Danach fühlte sie sich besser, kehrte in ihr Bett zurück und schlief sofort wieder ein, obwohl es draußen taghell war.
Als im Herbst die Schule wieder anfing, hatte Kendra sich bereits mit zwei Drittel der Familien von Desolation bekannt gemacht und sie für sich gewonnen, denn sie zeigte sich ihnen als eine starke, aus sich herausgehende und engagierte Frau, die ein Herz für Kinder hatte und die Traditionen der Eskimos zu respektieren wusste . Sie zog von einem der kleinen düsteren Häuser zum nächsten, gab auf alle Fragen über ihre eigene Kindheit und das Leben in Colorado bereitwillig Auskunft, aber konnte auch zuhören, wenn man sich alte Dorfgeschichten erzählte, über die Walrossjagd und wer am besten darin war, die riesigen Grönlandwale aufzuspüren, wenn sie sich im Laufe des Jahres mal nach Norden, mal nach Süden bewegten. Was ihre Aufnahme in der Gemeinschaft schließlich besiegelte, war eine kleine Rede, die sie eines Abends in der Turnhalle hielt, zu der die meisten Bewohner nur gekommen waren, um zu sehen, wie ihre neue Lehrerin vor einem Publikum wirkte. Angekündigt wurde die Rede unter dem Titel »Was ist falsch, und was ist richtig?« Und einige erschienen nur widerwillig, weil sie befürchtet hatten, eine missionarische Predigt über sich ergehen lassen zu müssen.
Wie überrascht waren sie dann, als Kendra vor
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