Albert Schweitzer
wirft jedoch ein schönes Licht auf Schweitzers heitere Nachdenklichkeit: „Bei einem Spaziergang durch Zürich meinte Albert Schweitzer vor einer Ampel: ‚Die Optimisten sehen immer nur grünes Licht, die Pessimisten hingegen nur rotes.‘ Und nach einer kurzen Pause fügte er nachdenklich hinzu: ‚Die wirklich Weisen sind farbenblind.‘ “
Eine Begebenheit, die sich während Schweitzers erstem Lambarene-Aufenthalt (1913–1917) abspielte, verdeutlicht, wie handfest und schelmisch der gelehrte Mann argumentieren konnte. Schweitzer verstand sich noch vorrangig als Arzt der protestantischen Missionsstation und traf in dieser Funktion recht häufig mit den Missionaren der weiteren Umgebung zusammen, nahm auch an deren Tagungen teil. „Auf einer Sitzung wurde über die Vielweiberei geklagt. ‚Wir sollten die Eingeborenen lehren‘, sagte einer von ihnen, ‚die Freuden des Himmels den Freuden der Erde vorzuziehen.‘ Schweitzer trocken: ‚Wer kann sagen, ob es so eine große Freude ist, mehrere Frauen zu haben?‘ “
Dass wir es bei Albert Schweitzer mit einer besonders geglückten Synthese von Geistes- und Tatmensch zu tun haben, ist wohl deutlich geworden. Doch er selber schien darüber seine Zweifel zu haben, wie der Landarzt Dr. August Heisler in den „Ärztlichen Mitteilungen“ aus dem Jahr 1950 mit folgender Geschichte belegt: „Die zweite Begegnung mit Albert Schweitzer erfolgte am ersten Weihnachtstag 1924, als er kam, uns zu grüßen und uns ein gesegnetes Fest zu wünschen. Wir tranken dann zusammen Kaffee und kamen dabei auf alle möglichenProbleme zu sprechen. Unter anderem sprachen wir darüber, warum Deutschland den Krieg verlieren musste. Ich verzapfte dabei die etwas banale Weisheit, dass dies fast zwangsläufig so hätte kommen müssen, da Deutschland noch nie eine Synthese von Geistmensch und Tatmensch geglückt sei. Wir hatten wohl einen Bethmann-Hollweg, einen Philosophen, als Reichskanzler, der aber in keiner Weise ein Tatmensch gewesen ist; auf der anderen Seite hatten wir Ludendorff, den Tatmenschen größten Stils, der aber sonst ein Rindvieh gewesen sei. Albert Schweitzer wurde plötzlich ziemlich still, und als ich ihn fragte, was ihn augenblicklich beschäftigte, sagte er nur ganz trocken: ‚Stören Sie mich jetzt nicht, ich denke gerade darüber nach, ob ich ein Tatmensch oder ein Rindvieh bin.‘ “
Derselben Quelle verdanken wir auch die nächste Episode, in der Schweitzers ausgeprägter Sinn für das Praktisch-Nützliche zum Ausdruck kommt und zugleich sein notfalls unbescheidenes Geschick, wenn es darum ging, Geld für sein Spital aufzutreiben: „Imponiert hat mir auch eine andere Geschichte, die mir Schweitzer beim Abschied am Bahnhof Peterzell erzählte, als wir auf den Zug warteten. ‚Weißt du‘, sagte er, ‚in Afrika bin ich bis hinauf zum Tanganjikasee der einzige Arzt, der noch über Brillen verfügt. Wenn nun einer von den reichen Holzhändlern zu mir ins Spital kommt und eine Brille braucht, sage ich ihm: Meine Barauslagen für die Brille sind – sagen wir – dreißig Francs. Sie werden es wohl billig finden, wenn ich sechzig Francs dafür nehme. – Der Mann ist mir natürlich sehr dankbar, überhaupt eine Brille zu bekommen und stimmt freudig zu. Darauf ich: Nun, ich nehme an, dass Sie auch für mein Spital noch eine kleine Gabe spenden wollen; aber das sage ich gleich, mehr als zweitausend Francs nehme ich nicht, das wäre sonst zu viel.‘“
Apropos Geld: Im Sommer 1936 war Pfarrer Gustav Woytt, Scheitzers Schwager und in Europa über viele Jahre sein zuverlässiger Kassenführer, erkrankt. Schweitzer suchte dringend nach kurzfristigem Ersatz. So sprach er ohne Umschweife seinen Freund Charles Michel aus Straßburg an und gab diesem, als der Bedenken hinsichtlich seiner Tauglichkeit für das angetragene Vertrauensamt äußerte, eine unwiderstehliche Unterweisung in Buchhaltung nach der „Methode Schweitzer“: „Hör zu, auf die linke Seite schreibst du, was eingeht, rechts was du ausgibst. Am Ende vom Monat machst du einen Strich drunter, die Differenz muss in der Kasse sein. Was fehlt, legst du drauf.“
Eine köstliche Geschichte ereignete sich während Schweitzers Militärzeit im Jahr 1894. Zwischen einem vorgesetzten Fähnrich, der Schweitzer wohl als „Studierten“ im Visier hatte, und dem Bibel lesenden gemeinen Soldaten entspann sich dieser Dialog: „Sie studieren Theologie? – Jawohl, Herr Fähnrich. – Dann können Sie auch predigen?
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