Albertas Schatten
immer eingeladen, aber es stand einfach fest, daß ich wieder heiraten sollte. Ich weiß, angeblich soll das für Männer sehr leicht sein. Und vielleicht ist es das auch, wenn man wenigstens ein bißchen was von einem lebenslustigen Wesen hat. Ich habe das nicht. Mit meinen fünfundfünfzig wollte ich mir nicht jemanden nur fürs Bett an Land ziehen. Sicher, es wäre nett gewesen, regelmäßig jemanden im Bett zu haben, aber was ich wirklich brauchte, war eine behagliche, wohletablierte Beziehung. In den letzten Jahren habe ich herausgefunden, daß alles mehr Zeit erfordert, auch Sex, was ja nicht schlecht ist. Manchmal frage ich mich, warum ich immer in Eile war, immer ungeduldig. Ich komme ans Ziel, aber wenn es eine halbe Stunde später ist, ist es auch in Ordnung.«
»Dir war wohl nicht nach dem Heute-diese-morgen-jene-Spielchen zumute?«
»Nein. Ich habe mich höllisch einsam gefühlt. Um ehrlich zu sein, früher hat es Zeiten gegeben, in denen ich mich beinahe freute, wenn Patricia mal weg war. Aber wie lange war das schon? Ein paar Wochen höchstens. Natürlich war mir damals nicht bewußt, wie sehr ich einen Menschen brauche, der einfach zu meinem Leben gehört.
Es ging nicht darum – wie man oft annimmt – , daß sich jemand um die Wäsche, das Geschirr oder die Absprachen mit der Putzfrau kümmert. Es bedeutete einfach, daß man etwas sagt und niemand es hört.« Kate nickte.
»Dann kam Charlie in mein Büro. Charlotte Lucas. Ursprünglich war sie gekommen, um Nachforschungen über eine Schriftstellerin anzustellen, deren Testament ich vor Jahren gemacht hatte; es war nicht die, deren Testament ich noch im Büro habe, zwischen welchen allerdings eine Verbindung besteht: Sie waren befreundet – die Schriftstellerinnen, nicht die Testamente.« Toby lächelte. »Die Testamente vielleicht auch.«
»Toby, mit zunehmendem Alter wirst du immer kryptischer. Bei den goldenen Fallschirmen habe ich dich nicht unterbrochen, aber du solltest mir schon noch einmal langsam wiederholen, wie Charlotte Lucas in dein Büro gekommen ist.«
»Ihr ganzes Leben lang hatte Charlie den Wunsch, Charlotte Stantons Biographie zu schreiben; du weißt, das ist die Schriftstellerin, deren Testament ich vor Jahren aufgesetzt hatte. Gute Biographen sind gute Detektive, sagt Charlie, und als sie das von dem Testament herausgefunden hatte, kam sie ins Büro, um mich aufzusuchen. Übrigens schreibt sie noch immer an der Biographie.«
»Warum machte eine englische Schriftstellerin ihr Testament in Amerika?«
»Aha, schon ist der Detektiv an der Arbeit, nur die geringste An-deutung, und du kümmerst dich überhaupt nicht um mein trauriges Liebesleben.«
»Die Frage liegt doch auf der Hand«, sagte Kate.
»Die Antwort liegt genauso auf der Hand: Sie war in Amerika und hielt Vorlesungen, als sie erfuhr, daß sie krank war. Sie wollte nicht hier vom Tod überrascht werden und nur ein Testament hinterlassen, das sie vor langer Zeit gemacht hatte. Kann ich mit der Geschichte meines Liebeslebens fortfahren?«
Kate lächelte. »Mir ist klar, daß dir das Testament nicht aus dem Kopf geht«, sagte Toby, »und ich verspreche dir, daß ich darauf zurückkomme. Zum Teil ist ja das der Grund, aus dem ich dich sehen wollte, doch nur zum Teil. Aber sprechen wir zuerst über mich, oder besser, ich spreche über mich, und das ist schon seit Jahren nicht mehr der Fall gewesen. Ich hatte schon daran gedacht, jemanden anzuheuern, der sich meine Geschichte anhört. Keinen Psychia-ter oder so etwas, nur ein menschliches Wesen. Aber eines, das Verständnis haben sollte. Und da habe ich an dich gedacht. Bitte fühl dich jetzt entsprechend geschmeichelt. Jedenfalls sind Charlie und ich zum Abendessen ausgegangen und haben weiter über ihre Schriftstellerin gesprochen, und es war das erste Mal, daß ich mich richtig entspannt gefühlt habe in Gegenwart einer Frau, die wirklich über ein bestimmtes Thema sprechen und nicht mit mir zu einem Tanztee wollte, bei dem ich sowieso längst alle Schritte verlernt hätte. Oh ja, es gibt schon sehr attraktive Anwältinnen bei Dar & Dar. Aber sie gehören zur Firma, und dafür fühlte ich mich auch zu alt. Ich habe daran gedacht, Kontakt mit einer Kollegin aus einer anderen Firma aufzunehmen, aber das habe ich dann doch nicht getan. Dann kam Charlie. Hast du es eilig? Können wir noch einen Kaffee in der Halle unter dem Elefantenschädel trinken?«
In der Halle versank Kate in einem tiefen Ledersessel; sie dachte,
Weitere Kostenlose Bücher