Alcatraz und die dunkle Bibliothek
Ich hätte auch die Variante mit dem Auto wählen können. Aber es gab noch einige andere Dinge, die mir möglich gewesen wären. Zum Beispiel hätte ich ums Haus rennen und mit den Armen wedeln können, um so zu tun, als sei ich ein Pinguin. Die logischste Entscheidung wäre in diesem Fall aber sicher die gewesen, die Polizei zu rufen, damit sie sich um die beiden Wahnsinnigen kümmerte.
Dummerweise kamen mir weder Pinguine noch die Polizei in den Sinn, und so hörte ich stattdessen auf Grandpa Smedry, bahnte mir einen Weg zum Auto und stieg ein.
Wie ich bereits zu Beginn dieses Kapitels angemerkt habe, hätte ich das nicht tun sollen. Es sollte nicht lange dauern, bis ich mich all den Gefahren gegenübersah, die sich daraus ergeben, dass man seltsame alte Männer auf ihre Missionen begleitet. Ich will an dieser Stelle noch nicht zu viel verraten, aber lasst euch gesagt sein, dass mein Schicksalsweg hier einen scharfen Knick in Richtung Altäre, Opferung und niederträchtige Bibliothekare machte.
Und möglicherweise spielen auch ein paar Haie eine Rolle.
Der Wagen setzte zurück, löste sich aus dem Haus und hinterließ Reifenspuren auf dem Rasen. Immer noch vollkommen geschockt, saß ich auf dem Beifahrersitz und blickte auf das Trümmerfeld, das gerade noch das Haus der Sheldons gewesen war. Teile der Außenverkleidung fielen von der Mauer und begruben Roys preisgekrönte Tulpen unter sich. Dies war der größte Schaden, den ich je in einer meiner Pflegeunterkünfte angerichtet hatte. Diesmal war es zwar nicht direkt meine Schuld, aber … na ja, das änderte nichts an der Tatsache, dass die Küche nun nicht mehr nur verbrannt war, sondern auch ein ziemlich großes Loch aufwies.
Vor dem Haus bogen wir auf die Straße ein, und das Auto tuckerte mit mäßiger Geschwindigkeit davon. Der Sachbearbeiter verfolgte uns zwar nicht, aber das hielt mich nicht davon ab, angespannt zurückzublicken, bis das Haus in der Ferne verschwand.
Jemand hat gerade versucht, mich umzubringen, dachte ich benommen. Es ist vielleicht schwer vorstellbar, wenn man bedenkt, wie viele Sachen ich in meinem Leben schon kaputt gemacht hatte, aber dies war das erste Mal gewesen, dass jemand auf mich schießen wollte. Es war ein verstörendes Gefühl. Tatsächlich ähnelte es dem Bewusstseinszustand, in den man verfällt, wenn man eine Grippe hat. Vielleicht gibt es ja eine Verbindung zwischen beidem.
»Na, das war doch aufregend!«, stellte Grandpa Smedry fest.
Ich starrte weiterhin aus dem Fenster. Draußen zog die Straße an mir vorbei, Teil einer Siedlung, die sich allein dadurch auszeichnete, dass sie genauso aussah wie jede andere amerikanische Vorstadt auch. Gediegene zweistöckige Häuser. Grüne Vorgärten. Eichen, Hecken, Blumenbeete, alle penibel gepflegt.
»Er hat versucht, mich umzubringen«, flüsterte ich schließlich.
Grandpa Smedry schnaubte. »Aber nicht besonders gründlich. Irgendwann wirst du erkennen, mein Junge, dass es nicht gerade klug ist, mit einer Waffe gegen einen Smedry vorzugehen. Aber das liegt jetzt hinter uns. Jetzt müssen wir uns überlegen, wie wir weitermachen.«
»Weitermachen?«
»Natürlich. Wir können denen doch nicht einfach diesen Sand überlassen!« Grandpa Smedry hob die Hand und zeigte mit dem Finger auf mich. »Verstehst du denn nicht, Junge? Bei dieser Sache ist nicht nur dein Leben in Gefahr. Wir halten hier das Schicksal einer ganzen Welt in den Händen! Die Freien Königreiche sind dabei, den Krieg gegen die Bibliothekare zu verlieren. Mit einem Werkzeug wie dem Sand von Rashid werden sich die Bibliothekare genau den Machtvorsprung sichern, den sie brauchen, um endgültig zu siegen. Wenn wir den Sand nicht zurückbekommen, bevor er eingeschmolzen wird – was wohl in ein paar Stunden der Fall sein wird –, könnte das zum Sturz der Freien Königreiche führen! Wir sind die einzige Hoffnung der gesamten zivilisierten Welt!«
»Ich … verstehe«, sagte ich gedehnt.
»Das glaube ich nicht, mein Junge. Die Linsen, die aus diesem Sand gegossen werden können, würden über die mächtigste Okulatorische Verzerrung verfügen, die es auf beiden Seiten jemals gegeben hat. Es war das Lebenswerk deines Vaters, diesen Sand zu sammeln. Ich kann es einfach nicht fassen, dass du ihn dir von den Bibliothekaren hast stehlen lassen. Ganz ehrlich, Junge – ich hatte große Hoffnungen in dich gesetzt. Ich hatte wirklich mehr von dir erwartet. Wenn ich nur nicht so spät gekommen wäre …«
Ich sah
Weitere Kostenlose Bücher