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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Dann ist man verärgert und deprimiert, weil man so viel Zeit damit verschwendet hat, ein Buch zu lesen, das ein so schlechtes Ende hat.
    Daraus ergibt sich die logische Schlussfolgerung, dass Lesen ganz offensichtlich völlig nutzlos ist und ihr eure Zeit besser in andere, sinnvollere Beschäftigungen investieren solltet. Ich habe mir sagen lassen, Algebra sei gut für die Entwicklung. Ungefähr wie Demut, nur mit mehr Faktoren. So oder so werdet ihr bald wissen, ob ihr mich hasst, weil ich nicht mehr geschrieben habe, oder ob ihr mich hasst, weil ich zu viel geschrieben habe. Bitte plant alle möglichen Mordanschläge im Zeitraum zwischen Montag und Freitag ein, da ich nur höchst ungern an einem Samstag sterben würde.
    So etwas ist schließlich kein Grund, sich das Wochenende zu verderben.
    »Da wären wir«, sagte Grandpa Smedry, als wir einen der anderen Gänge erreicht hatten. »Die Tür ganz da hinten ist es.«
    Das zweite Stockwerk war ein wenig luxuriöser ausgestattet als das erste: Anstelle von kargen, hässlichen Steinen und farblosen Wänden gab es hier karge, hässliche Teppiche und farblose Wandbehänge. In die besagte Tür war eine große runde Glasscheibe eingelassen, und zuerst dachte ich, in der Mitte dieser Scheibe sei eine Glühbirne angebracht. Sie leuchtete jedenfalls hell genug dafür. Aber dann fiel mir wieder ein, dass ich ja Okulatorenlinsen trug, und mir wurde klar, dass die Scheibe nur für meine Augen so glühte.
    Hinter dieser Tür musste es also Linsen geben – und zwar nicht gerade schwache.
    Grandpa Smedry ging zielstrebig auf die Tür zu, wurde aber sofort von Bastille an der Schulter gepackt. Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. Dann schob sie Grandpa zurück, stellte sich vor die Tür und versuchte, durch die Glasscheibe zu spähen. Erst dann zog sie ihren Kristalldolch, machte sich bereit und öffnete die Tür.
    Aus dem Raum drang so helles Licht, als sei diese Tür der Eingang in das Himmelreich. Mit einem Aufschrei schloss ich die Augen.
    »Arbeite mit deinen Linsen, Junge«, mahnte Grandpa Smedry. »Du kannst den Effekt abschwächen, wenn du dich konzentrierst.«
    Ich folgte seinem Rat, schielte dabei aber vor Anstrengung. Mit einiger Mühe schaffte ich es schließlich, das Licht so weit zu dimmen, dass es nur noch ein sanfter Schimmer war. Da ich nun nicht länger geblendet war, sah ich mich um und war überwältigt.
    Es ist ein bisschen schwierig zu beschreiben, was in diesem Augenblick in mir vorging. Bastille und meine Cousins sahen wohl einfach einen mittelgroßen, runden Raum, an dessen Wänden viele kleine Regalbretter hingen. Auf diesen Brettern lagen Linsen – sicher ein paar Hundert –, jede auf einem eigenen kleinen Podest, das sie angemessen präsentierte und im Licht funkeln ließ. Das war sicher ein ganz hübscher Anblick, aber nichts Weltbewegendes.
    Für mich sah der Raum vollkommen anders aus.
    Vielleicht gab es schon ein paar Dinge in eurem Leben, an denen ihr ganz besonders gehangen habt. Ein heiß geliebtes Kinderspielzeug vielleicht. Oder einige Fotos. Oder die Kugel, die euren schlimmsten Feind getötet hat.
    Und jetzt stellt euch das Gefühl vor, wenn ihr erkennt, dass euch bislang nie bewusst war, wie wichtig dieser Gegenstand tatsächlich für euch ist. Stellt euch vor, dass alles, was ihr mit diesem Gegenstand verbunden habt – die Liebe, der Stolz, die Befriedigung – mit einem Schlag auf euch einstürmt.
    So fühlte ich mich in diesem Moment. Irgendetwas an all diesen Linsen fühlte sich einfach richtig an. Ich war noch nie zuvor in diesem Raum gewesen, aber für mich fühlte er sich an wie ein Zuhause, wie mein Heim. Und ein Junge, der bei Dutzenden von Pflegefamilien gelebt hat, nimmt das Wort Heim nicht leichtfertig in den Mund.
    Sing, Grandpa Smedry, Bastille und Quentin gingen ohne zu zögern hinein. Ich trat auf die Schwelle, blieb dort aber erst mal stehen und nahm die Schönheit der Linsen in mich auf. Dieser Raum war majestätisch. Er strahlte Wärme aus.
    Das ist meine Bestimmung, dachte ich. Das war schon immer meine Bestimmung.
    »Beeil dich, Junge«, rief Grandpa Smedry. »Du musst für uns den Sand finden. Ich habe doch keine Okulatorenlinsen! Ich werde versuchen, hier drin ein Paar zu finden, aber währenddessen musst du schon mal anfangen!«
    Ich gab mir einen Ruck und setzte mich wieder in Bewegung. Schließlich wurden wir immer noch gejagt. Das hier war nicht mein Heim – es war die Festung meiner Feinde. Ich schüttelte

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