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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Linse, die Blackburn benutzte, in unsere Nähe kam. (Zum Glück schien er keine Fährtenspürlinse zu besitzen.) Sein Schatten hielt nicht an, um den Raum der Vergessenen Sprache zu überprüfen, sondern bewegte sich stattdessen in Richtung der Treppe weiter.
    »Wir haben nicht besonders viel Zeit«, erklärte ich den beiden anderen.
    Also stürzten wir aus dem Raum und rannten zurück zur Folterkammer. Als wir dort ankamen, war ich ein wenig außer Atem. Da ich bisher noch nie in einer Situation gewesen war, in der ich jemanden vor der Folter hatte retten müssen, war ich an dieses ganze Rumgerenne nicht gewöhnt. Aber glücklicherweise war Sing auch nicht besonders gut in Form, und so machte es mir nicht ganz so viel aus, hinter Bastille zurückzufallen.
    Als ich endlich den Vorraum erreichte, in dem die Wachen gestanden hatten, fand ich Bastille neben der Tür mit dem praktischen Loch. Sie rüttelte heftig an der Klinke. »Abgeschlossen«, schimpfte sie.
    »Geh mal zur Seite«, erwiderte ich nur und stellte mich vor die Tür. Dann legte ich eine Hand auf das Schloss und verpasste ihm eine kleine Dosis meines Talents.
    Nichts geschah.
    »Das Schloss ist aus Glas«, stellte ich fest. Ich drückte meine Hände gegen die Scharniere der Tür, hatte aber auch hier keinen Erfolg.
    Bastille fluchte. »Wahrscheinlich ist die ganze verdammte Tür gegen dein Talent immun. Wir werden sie mit Gewalt aufbrechen müssen.«
    Skeptisch betrachtete ich die massive Holztür. Dann hörte ich hinter mit ein Klicken. Als ich mich umdrehte, bemerkte ich Sing, der eine der größten und fiesesten Pistolen entsicherte, die ich jemals gesehen hatte. Es war die Art von Waffe, die von den meisten Menschen überhaupt nur mit zwei Händen gehalten werden kann – die Art von Waffe, deren Geschosse so groß sind, dass man sie gut als Briefbeschwerer verwenden könnte.
    Sing zog mit der freien Hand eine zweite Waffe, die genauso groß und gemein war wie die erste. Dann zielte er auf die Türklinke – die sich genau zwischen Bastille und mir befand.
    »Mann, steck die Antiquitäten weg«, sagte Bastille gereizt. »Wir haben jetzt keine Zeit für … Grmpf!«
    Der letzte Teil des Satzes wurde wohl dadurch motiviert, dass ich sie an der Schulter packte und wegzerrte, um hinter einem Tisch in Deckung zu gehen.
    Sing drückte ab.
    Holzsplitter flogen umher, vermischt mit feinen schwarzen Glasscherben. Das Dröhnen von mehreren Schüssen hallte in dem kleinen Raum wider – oder zumindest hallte das Dröhnen von drei Schüssen in dem kleinen Raum wider. Als Sing das vierte Mal auf den Abzug drückte, war ich bereits taub und konnte nicht mehr sagen, ob die restlichen Schüsse überhaupt noch ein Geräusch verursachten.
    Ich konnte übrigens auch nicht hören, ob irgendwo ein Baum umfiel.
    Als alles vorbei war, spähte ich vorsichtig hinter dem Tisch hervor. Bastille hockte benommen neben mir auf dem Boden. Die Tür war ziemlich ramponiert und schien nur noch aus Splittern zu bestehen. Die kläglichen Überreste der Klinke und des Schlosses klammerten sich noch an das Holz, umgeben von Einschusslöchern. Noch während ich hinsah, fiel das von den Kugeln zerschmetterte Schloss heraus, und die Tür schwang leise auf, als wolle sie sich der Übermacht ergeben.
    Nach den ganzen Diskussionen über »fortschrittliche« Waffen und Technologie hättet ihr wahrscheinlich nicht erwartet, dass die Pistolen irgendetwas bewirken würden. Also, ich jedenfalls nicht. Aber ihr dürft eines nicht vergessen: primitiv bedeutet nicht unbedingt auch nutzlos. Eine alte Steinschlosspistole mag ja weniger fortschrittlich sein als eine moderne Automatik, aber beide sind gleich tödlich. Während ich dasaß, wurde mir klar, warum Sing darauf bestanden hatte, die Waffen mitzubringen. Und warum Grandpa Smedry es ihm erlaubt hatte.
    Ich habe manchmal den Eindruck, dass einige Leute die gute, althergebrachte Technologie aus den Ländern des Schweigens zu sehr unterschätzen. Es tat jedenfalls gut zu sehen, dass etwas aus meiner Welt so wirkungsvoll war. Schlösser aus Okulatorenglas sind zwar sehr widerstandsfähig, aber sie sind ganz bestimmt nicht vollkommen unzerstörbar.
    »Saubere Schüsse«, meinte ich.
    Sing zuckte mit den Schultern und sagte etwas.
    »Was?«, fragte ich, immer noch leicht taub.
    »Ich sagte«, wiederholte Sing lauter, »dass sogar Antiquitäten hin und wieder nützlich sein können. Und jetzt komm!« Er stiefelte zur Tür hinüber und schob sie so weit

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