Alcatraz und die Ritter von Crystallia: Band 3 (German Edition)
weniger böse zu werden, stand darauf. Eine hilfreiche Anleitung für alle Bibliothekare, die keine Bib-lügo-thekare mehr sein wollen.
»Das ist… einfach großartig«, sagte ich. Ich wusste nicht, wie ich sonst reagieren sollte. Zu meinem Glück wählte mein Vater genau diesen Augenblick für seinen Auftritt– was auch deshalb gut war, weil diese Szene mir eh allmählich etwas zu lang vorkam.
Die Könige saßen hinter einem langen Tisch gegenüber einer Rednertribüne. Wir wurden alle still, als mein Vater erschien, in der dunklen Kluft eines Wissenschaftlers. Auch die Menge verstummte.
»Wie Sie vielleicht gehört haben, bin ich unlängst aus der Bibliothek von Alexandria zurückgekehrt«, begann er. Seine kräftige Stimme erfüllte den Saal. »Dort habe ich einige Zeit als Kurator verbracht und bin dank kluger Planung der Gefangenschaft mit heiler Seele entkommen.«
»Ja«, murrte Bastille. »Dank kluger Planung und ein wenig unverdienter Hilfe.« Sing, der vor uns saß, warf ihr einen missbilligenden Blick zu.
»Der Zweck des Ganzen war«, fuhr mein Vater fort, »Zugang zu den sagenumwobenen Texten zu erhalten, die die Kuratoren von Alexandria gesammelt haben. Nachdem es mir gelungen war, aus dem Sand von Rashid ein Paar Übersetzerlinsen herzustellen…«
Ein Raunen ging durch die Menge.
»…konnte ich Texte in der Vergessenen Sprache lesen«, fuhr mein Vater fort. »Ich wurde von den Kuratoren gefangen genommen und in einen der ihren verwandelt. Doch ich bewahrte mir genug freien Willen, um heimlich die Linsen aus meinen Sachen zu ziehen und sie zum Lesen zu benutzen. So konnte ich wochenlang die wertvollsten Bücher und Schriften der Bibliothek studieren.«
Er machte eine Pause und beugte sich mit einem gewinnenden Lächeln übers Rednerpult. Er hatte wirklich Charme, wenn er Leute beeindrucken wollte.
In diesem Augenblick, als ich dieses Lächeln sah, hätte ich schwören können, dass ich ihn früher schon irgendwo gesehen hatte, lange vor meinem Ausflug in die Bibliothek von Alexandria.
»Was ich getan habe, war gefährlich«, fuhr mein Vater fort. »Manche würden es vielleicht sogar als Wahnsinn bezeichnen. Ich konnte nicht wissen, dass ich als Kurator genug Freiheit haben würde, um die Texte zu studieren, und ich war mir auch nicht sicher, ob ich mit den Linsen tatsächlich die Vergessene Sprache lesen konnte.«
Er machte eine Kunstpause. »Aber ich habe es trotzdem getan. Denn das ist die Art der Smedrys.«
»Diesen Spruch hat er übrigens von mir geklaut«, flüsterte Grandpa Smedry uns zu.
Mein Vater fuhr fort. »Ich habe in den letzten zwei Wochen alles niedergeschrieben, was ich mir in meiner Zeit als Kurator eingeprägt habe. Verloren gegangene Erkenntnisse, Geheimnisse, die nur die Inkarna kannten. Ich habe mich intensiv mit ihnen beschäftigt und bin der einzige Mensch seit über zwei Jahrtausenden, der ihre Werke gelesen und verstanden hat.«
Er ließ den Blick über die Menge schweifen. »So habe ich die Methode entdeckt, mit der die Smedry-Talente geschaffen und meiner Familie verliehen wurden.«
Was?, dachte ich geschockt.
»Unmöglich«, sagte Bastille, und die Leute um uns herum begannen, aufgeregt zu tuscheln.
Ich blickte zu meinem Großvater hinüber. Obwohl der alte Mann gewöhnlich verrückter ist als eine Pinguin-Safari in Florida, erkenne ich gelegentlich Weisheit in seinen Augen. Er hat einen Tiefsinn, den er nur selten zeigt.
Er wandte sich mir zu, und als unsere Blicke sich trafen, sah ich ihm an, dass er besorgt war. Sehr besorgt.
Die Menge verstummte sofort wieder, als mein Vater fortfuhr: »Ich habe eine große Vision, was aufgrund dieser Entdeckung in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein könnte. Ich glaube, wenn ich noch etwas weiterforsche, kann ich herausfinden, wie man gewöhnlichen Menschen Talente verleiht. Ich stelle mir eine künftige Welt vor, auf der jeder Mensch ein Smedry-Talent hat.«
Dann war er fertig. Er trat vom Rednerpult zurück und stieg von der Tribüne herab, um mit den Königen zu reden. Im Saal entbrannten natürlich laute Diskussionen. Ich stand auf, bahnte mir einen Weg nach unten und lief auf den Tisch der Könige zu. Die Ritter, die als Leibwachen um ihn postiert waren, ließen mich durch.
»Ich brauche Zugang zum Königlichen Archiv«, sagte mein Vater gerade zu den Königen.
»Das keine Bibliothek ist«, hörte ich mich flüstern.
Mein Vater bemerkte mich nicht. »Dort sind gewisse Bücher, von denen ich glaube, dass
Weitere Kostenlose Bücher