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Alchemie der Unsterblichkeit

Alchemie der Unsterblichkeit

Titel: Alchemie der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Pflieger
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stürmte ein gut gekleideter, schlanker Mann mit aristokratischen Zügen auf sie zu. Er führte nur eine kleine Tasche Handgepäck mit sich.
    »Gott sei gepriesen, dass ich es noch rechtzeitig geschafft habe. Die Zunft der Leinweber wollte mich nicht aus ihren Fängen lassen. Oleg Bartholus ist mein Name.« Seine Stimme klang leicht nasal.
    Die Damen musterten ihn von oben herab, bevor die ältere sich vorstellte. »Thirza zu Molander und dies ist meine Tochter, die liebreizende Malicka.«
    Das breite Lächeln auf Oleg Bartholus’ Gesicht erstarb so schnell wie ein Frühlingsregen, als er Malickas Zähne erblickte. Hastig wandte er sich ab und stieg in die Kutsche. Icherios folgte seinem Beispiel und versuchte einen Platz auf der Sitzbank zu finden, während er seine langen Beine über das Gepäck ausstreckte. Diese Haltung stellte sich als ungemein unbequem heraus. Die grobe Holzwand drückte gegen seine Wirbelsäule, und die Nähte der Koffer hinterließen Druckstellen an Oberschenkel und Kniekehle. Der Händler beobachtete Icherios’ Bemühungen mit einem Schmunzeln. Dann holte er zwei Kissen aus seiner Tasche und machte es sich bequem.
    Die Pferde schnaubten empört auf. Ein Ruck ging durch die Kutsche, dann ertönte die quäkende Stimme der feinen Dame, die es entweder nicht kümmerte, dass Icherios sie hören konnte oder der es gleichgültig war. »Ich verlange, dass dieser angebliche Inspektor nicht im Innenraum sitzt. Ein einfacher Mann von zweifelhafter Herkunft ist nicht der geeignete Umgang für meine zarte Tochter.«
    Icherios verstand Arohns genuschelte Antwort nicht. Aus den Augenwinkeln spähte er zu seinem Mitreisenden hinüber, in der Hoffnung der Händler hätte die Worte nicht gehört. Das amüsierte Zucken seiner Augenbrauen belehrte ihn eines Besseren. Icherios ließ sich in seinen Sitz zurücksinken und vergrub sein Gesicht im Aufschlag seines Mantels.
    »Sie scheinen nicht zu verstehen. Meine Tochter ist auf dem besten Wege, eine einflussreiche Persönlichkeit zu heiraten. Auf keinen Fall werde ich dulden, dass solche heruntergekommene Kreaturen ihren guten Ruf ruinieren.«
    »Sie scheinen nicht zu verstehen, Herrin.« Arohn wurde lauter. »Wer bezahlt, fährt. Wenn Sie jetzt bitte Platz nehmen würden. Die Zeit drängt.«
    Erneut schnaubten die Pferde auf, dann erschienen die Damen zu Molander am Einstieg und hielten sich geziert parfümierte Tücher vor die Nase, während sie die Stufen der Kutsche betraten. Sie missachteten Icherios’ helfende Hand und wendeten sich dem anderen Insassen zu. »Herr Bartholus, würden Sie so zuvorkommend sein und ihren Platz meiner Tochter und mir überlassen? Malicka verträgt es nicht, mit dem Rücken zur Fahrtrichtung zu sitzen.«
    Mit einem belustigten Lächeln sprang der Händler auf, deutete eine Verbeugung an und setzte sich neben Icherios. Kaum hatten alle ihren Platz gefunden, erklang das Knallen der Peitsche und die Kutsche zog an. Etwa eine viertel Stunde später verließen sie die Stadt durch das Prinzentor. Nachdem sie den schützenden Palisadenzaun zurückgelassen hatten, schlug ihnen ein atemberaubender Gestank entgegen: Das Hungerlager nahm hier seinen Anfang. Es spannte sich um die gesamte Stadt. Verhungernde Menschen, die ihre letzte Hoffnung in Karlsruhe sahen, scharten sich um die Stadttore. Die Wachen hatten Anweisung, niemanden hereinzulassen. Deshalb sammelten sich die Obdachlosen vor den Mauern der für sie unerreichbaren Stadt und siechten langsam dahin. Einige der Bürger versuchten das Leid etwas zu lindern, indem sie das bisschen Nahrung, das sie erübrigen konnten, verteilten.
    Erst mehrere Stunden nachdem sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, versiegte der Menschenstrom.
    Icherios konnte nun den Blick über das leicht hügelige Land schweifen lassen. Hin und wieder fuhren sie an verlassenen Höfen vorbei, vor deren Häusern frisch ausgehobene Gräber mit hastig gezimmerten Holzkreuzen standen. Von dem einst saftigen Grün der Weiden hatte kaum etwas den harten, langen Winter überstanden. Verhungernde Schafe zupften verloren an den verbliebenen Stängeln. Trotzdem war es für Icherios ein geradezu erhebendes Gefühl, die Freiheit des Reisens erleben zu können. Anfangs versuchten die Damen, ihre kerzengerade Haltung mit Tüchern vor der Nase und Fächern in der Hand aufrechtzuhalten. Eine Stunde nach Beginn der Fahrt gaben sie stöhnend auf. Die Kutsche holperte über ein Schlagloch nach dem anderen, und die Insassen

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