Der schwarze Kanal
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Vorwort zum Geleit
Neulich erreichte mich über Facebook die Zuschrift des Lesers Mick Jelnikow. «Die absolut widerwärtige Grütze, die Sie regelmäßig bei SPIEGEL ONLINE veröffentlichen müssen, können Sie sich in Ihre öligen Haare schmieren», schrieb er mir. «Der Gipfel der Unverschämtheit ist Ihr heutiger Erguss ‹Lichterkette für Guttenberg›. Sie sind ein total kaputter Typ.»
Eine wöchentliche Kolumne ist eine wunderbare Sache. Welcher Journalist träumt nicht davon, regelmäßig das Tagesgeschehen kommentieren zu dürfen? Man bekommt auch ein schönes Foto und gelegentlich Einladungen in Talkshows. Nur sollte man nicht erwarten, dass einen die Leute ins Herz schließen, zumindest dann nicht, wenn man solche Sachen schreibt wie ich. Die Wahrheit ist: Mick Jelnikow ist nicht der Einzige, der mich für einen total kaputten Typen hält. Tatsächlich scheint es sogar ziemlich viele Menschen zu geben, die so denken wie er.
Wenn es einen Preis für die meistgehasste Kolumne in Deutschland gäbe – ich glaube, ich hätte gute Aussichten, ihn zu gewinnen. Ich will mich nicht beklagen. Wer unter seinem Namen Meinungsbeiträge veröffentlicht, sucht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit; deshalb sollte er auch nicht zu empfindlich sein, wenn es Widerspruch gibt. Trotzdem stelle ich mir natürlich hin und wieder die Frage, warum sich viele Leser durch den «Schwarzen Kanal» so provoziert fühlen, dass sie den Deutschen Presserat anrufen oder Aufrufe für ein sofortiges Publikationsverbot ins Netz stellen. Ich bemühe mich um einen heiteren Ton, selbst wenn die Umstände ernst sind. Ich beleidige niemanden, rufe nicht zu unüberlegten Handlungen auf und mache auch keine abfälligen Kommentare über irgendwelche Randgruppen. Ich habe sogar aufgehört, weiter böse Sachen über Claudia Roth zu verbreiten. Aber all das ändert nichts daran, dass ich als jemand gelte, der von «Demokratie, Rechtsstaat und fairem Journalismus» keine Ahnung hat, wie es ein Leser im «Forum» bei SPIEGEL ONLINE formulierte. Um von bestimmten Leuten für schwer gestört gehalten zu werden, reicht es offenbar, dass man sich nicht ganz doll vor dem nächsten Atomunfall fürchtet, Datenschutz für eine deutsche Marotte hält, der Marktwirtschaft trotz aller Turbulenzen die Daumen drückt und generell nichts Schlimmes dabei findet, wenn die Regierung in der Euro-Krise versucht, das Geld der Bürger vor dem Zugriff der Nachbarn zu schützen. Mit anderen Worten: wenn man die Dinge so sieht wie eine große Zahl von Menschen in Deutschland.
Bei einer Kolumne, die «Der schwarze Kanal» heißt, liegt die Vermutung nahe, dass die schärfsten Kritiker aus der linken Glaubenswelt stammen. Gelassenheit ist in diesem Milieu keine besonders ausgeprägte Tugend, wie ich schon an anderer Stelle feststellen konnte. Tatsächlich reagieren gerade Linke sehr aufgeregt, wenn sie mit Anschauungen konfrontiert werden, die ihren eigenen Überzeugungen widersprechen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich Linke am liebsten unter ihresgleichen aufhalten, allen Beschwörungen des Multikultilarismus zum Trotz. Sie sind es einfach nicht gewohnt, auf abweichende Meinungen zu stoßen, schon gar nicht in einem Medium, das für viele seiner Leser dort zu stehen hat, wo sie selber stehen. Wenn es doch passiert, und dazu noch an einer so prominenten Stelle wie einer Kolumne, sind sie verständlicherweise irritiert. Vielleicht sollte man den Leuten raten, mehr aus sich herauszugehen. Die Begegnung mit Andersdenkenden kann durchaus bereichernd sein, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Wirklich.
Die Idee zu der kolumnistischen Plattform auf SPIEGEL ONLINE entstand im Herbst 2010 bei einem Mittagessen mit dem Verleger Jakob Augstein. Es gibt nicht viele Plätze im deutschen Journalismus, wo man im Prinzip machen kann, was man will. So einen Platz für jeden Wochentag zu etablieren schien uns ein lohnendes Ziel. Sieben Tage, sieben Köpfe – mit diesem Prinzip hatte schließlich schon RTL Erfolg gehabt. Wir waren uns auch sofort einig, dass so eine Unternehmung nur im Internet eine Chance haben würde. Augstein erschien mir für das Vorhaben der ideale Partner. Er ist trotz seines Vermögens sehr links (eine Kombination, die nicht ganz so selten ist, wie man vermuten sollte), und er ist erfreulich furchtlos (was ihn nun wiederum von vielen seiner Glaubensgenossen eindeutig unterscheidet). Außerdem gehört er zu den wenigen Linken,
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