Alera 02 - Zeit der Rache
Majestät«, bemerkte sie zögernd und schien immer noch verlegen, weil sie gewagt hatte, den Schlaf der Königin zu stören, wie lange der auch angedauert haben mochte.
»Und wie lautet diese Nachricht?«
»Ihr möget Euch so schnell als möglich im Wachzimmer des Gardehauptmannes einfinden.«
Erstaunt runzelte ich die Stirn, während Sahdienne schon vor meinem Kleiderschrank stand, um mir bei der Wahl meiner Kleider zu helfen.
»Hat der Bote einen Grund dafür genannt?«
»Nein, Mylady.«
Sie half mir in die Gewänder, die ich ausgesucht hatte, dann bürstete sie mein dunkelbraunes Haar, während ich vor dem Spiegel saß, der auf meiner Frisierkommode stand. Als sie begann, einzelne Strähnen zu einer Hochsteckfrisur zu flechten, scheuchte ich sie ungeduldig fort.
»Dafür ist jetzt keine Zeit. Ich sollte Cannan nicht warten lassen.«
Ohne mich noch mit einem Frühstück aufzuhalten, eilte ich auf den Flur hinaus und verlangsamte meinen Schritt erst, als ich den oberen Absatz der Doppeltreppe erreicht hatte. Dort strich ich meinen Rock glatt und lief ein wenig gemessener die Treppe zu meiner Linken hinunter. Dann ging ich unter der Treppe hindurch, um durch das Vorzimmer den Thronsaal zu betreten. Das Wachzimmer des Gardehauptmanns ging an der östlichen Wand vom Saal ab, und ein Angehöriger der Palastwache klopfte an, als er mich kommen sah. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür, und ich konnte einen Blick hineinwerfen. Die bange Vorahnung, die mich überfiel, als ich sah, wer sich dort gerade unterhielt, ließ mich auf der Schwelle innehalten.
Ich hatte erwartet, dass Cannan mit mir unter vier Augen zu sprechen wünschte, auch wenn ich keine Ahnung hatte, worüber. Doch Steldor, Galen, Destari und mein Vater waren ebenfalls zugegen. Das bedeutete also, dass ich dem Gardehauptmann, dem König, dem Haushofmeister, einem Hauptmannstellvertreter sowie dem ehemaligen König gegenüberstand. Lauter Männer, die nicht nur von eindrucksvoller Statur waren, sondern auch dunkel gekleidet. Nachdem alle noch dazu finstere Gesichter machten, war mir, als würde ich einen Raum voller Gewitterwolken betreten.
Cannan saß hinter seinem Schreibtisch. Er hatte diese Zusammenkunft einberufen. Steldor hatte links von ihm Platz genommen. Alle erhoben sich zum Zeichen ihres Respekts, doch ich blieb, wo ich war, da mich diese Versammlung, über deren Grund ich nichts wusste, einschüchterte.
»Kommt herein, Majestät, und setzt Euch.«
Cannan deutete auf einen freien Holzstuhl direkt vor seinem Schreibtisch, der auf mich nicht einladend, sondern wie ein Platz zum Verhör wirkte. Galen und mein Vater, der, auch wenn er nicht mehr regierte, weiter als König Adrik angesprochen wurde, nahmen auf gleichartigen Stühlen links von mir Platz. Der riesengroße Elitegardist Destari, der zeitweise meinen Leibwächter London ersetzt hatte, stand rechts von mir. Offenbar war er es nicht gewohnt, im Wachzimmer seines Hauptmannes eine auch nur im Geringsten entspannte Haltung einzunehmen. Vater und Sohn hatten sich wieder in den ledergepolsterten Armsesseln niedergelassen, und ich musterte Cannan forschend, weil ich mir keinen Grund vorstellen konnte, aus dem er mich herzitiert hatte. Schließlich wurden in Hytanica in finanziellen, politischen oder militärischen Fragen keine Frauen und nicht einmal die Königin konsultiert.
»Wir haben Steldor über unsere jüngsten Anstrengungen informiert, die Cokyrier am Fluss aufzuhalten«, erläuterte der Hauptmann knapp. »Es ist an der Zeit, ihn über Narians Bedeutung für den Feind in Kenntnis zu setzen.«
Mir verschlug es den Atem, und ich hoffte inständig, mich noch in einem Albtraum zu befinden, denn genau so fühlte es sich für mich an. Ich wollte in Anwesenheit von keinem der versammelten Männer über Narian sprechen. Insbesondere nicht vor meinem Vater und Steldor.
»Bislang ist London nicht nach Hytanica zurückgekehrt«, fuhr Cannan in geschäftsmäßigem Ton fort. »Daher ist es nun an Euch und Destari, uns alles zu erzählen, was Ihr über die Legende vom Blutenden Mond wisst.«
»Dann soll Destari das übernehmen«, stieß ich hervor. »Er weiß mindestens so viel wie ich, wenn nicht sogar mehr über die Legende.«
Ich war mir sicher, dass Cannan mich durchschaute, aber er ging nicht weiter darauf ein, sondern wandte sich an seinen Stellvertreter, auf den sich sogleich auch die Aufmerksamkeit aller übrigen Anwesenden richtete.
»Rührt Euch und berichtet, was
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