Alera 02 - Zeit der Rache
Schicksal vorbestimmen wolle. Zugleich sagte er aber auch, dass es schwer sein würde, sich dem Overlord zu widersetzen, falls er jemals nach Cokyri zurückkäme. Nun, ich glaube jedenfalls, dass er sich der Legende widersetzen wird, falls es in seiner Macht –«
»Er hat mit Euch über den Overlord gesprochen?«
Der Hauptmann hatte meinen Monolog unterbrochen und eine Augenbraue gehoben. Das war das einzige Zeichen des Erstaunens auf dem ansonsten wie immer unbewegten Gesicht dieses Mannes.
»Ja, aber wir haben nicht wirklich über den Overlord gesprochen, er hat ihn nur nebenbei erwähnt.«
»Verstehe.«
Cannan musterte mich einen Moment lang, und mein leerer Magen fühlte sich an, als würde er von einer unsichtbaren Faust zusammengepresst. Unüberlegt hatte ich meine Position noch weiter verschlechtert, denn Narian hatte mit niemand außer mir über sein Verhältnis zum mächtigen Kriegsherrn über Cokyri geredet. Ich war der einzige Mensch, dem Narian sich anvertraut hatte. Nur ich wusste, dass der Overlord sein Lehrmeister gewesen war.
»Dann habt Ihr ihm wohl recht nahegestanden«, konstatierte Cannan schließlich.
Ich warf Destari einen raschen, Hilfe suchenden Blick zu und fürchtete, der Hauptmann würde mein wahres Verhältnis zu Koranis’ Sohn offenbaren, das die Grenzen einer bloßen Freundschaft so deutlich überschritten hatte. Irgendetwas ließ mich hoffen, dass es ihm gelingen könnte, seinen Vorgesetzten von weiterem Nachfragen abzuhalten, doch Cannans Augen fingen meinen Blick auf, und er wandte sich sogleich an seinen Gardisten.
»Ihr wart damals ihr Leibwächter. Welcher Art war die Beziehung der beiden zueinander?«
Destari trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Er runzelte die dichten schwarzen Brauen über seinen dunklen Augen, und die Tatsache, dass er versuchte, mein Geheimnis zu wahren, hallte geradezu ohrenbetäubend im ganzen Raum wider.
»Sie war seine … engste Vertraute geworden.«
Die Anspannung wuchs weiter, bis es schien, als würde die Luft durch die Türen nach draußen gesogen und keiner könne mehr frei atmen. Steldor war auf seinem Sessel gleichsam erstarrt, seine Kiefer schienen fest zusammengepresst, und ich fürchtete, der in seinen Augen lodernde Hass würde noch das Zimmer in Brand stecken. Galen beobachtete den König aufmerksam. Er schien sich nicht sicher zu sein, worüber sein Freund gerade nachdachte, und einfach besorgt, dass dieser sein berüchtigtes Temperament nicht zu zügeln imstande wäre. Die ansonsten so freundlichen Augen meines Vaters irrten im Raum umher. Zweifellos schien er sich zu fragen, ob er den geradezu lachhaften Schlussfolgerungen glauben sollte, die sein Verstand von allein gezogen hatte.
»Aah …« Cannans einsilbige Äußerung machte mir klar, dass er die Umstände ebenfalls erfasst hatte, doch jeglicher Mut verließ mich vollends, als mir klar wurde, dass er immer noch nicht bereit war, von dem Thema abzulassen. »Und führte diese Freundschaft zu intimem Kontakt?«
Ich spürte, wie ich errötete, da alle Männer außer Cannan ihre Blicke sogleich auf mich richteten. Der Hauptmann wartete auf Destaris Antwort, und als diese ausblieb, wurde seine Miene grimmig. Die Sorge um Destari, der doch nur versuchte, mich zu schützen, zwang mich, das Wort zu ergreifen.
»Narian hatte sich in mich verliebt«, sagte ich leise und mit niedergeschlagenen Augen.
Ich hörte, wie Steldor seinen Sessel geräuschvoll zurückschob, und schaute auf, während er hinter mich trat. Offenbar konnte er meinen Anblick nicht mehr ertragen. Einen Moment lang glaubte ich, er würde aus dem Zimmer stürmen, doch stattdessen lehnte er sich nur an die Glasfront eines Waffenschranks und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Galen zeigte keinerlei Reaktion auf mein Geständnis, musterte Steldor aber weiterhin aufmerksam. Cannan hatte sich nicht gerührt und schien willens, meine Befragung fortzusetzen, egal wie widerwillig sein Sohn sich dabei verhalten mochte. Die Augen meines Vaters waren ins Leere gerichtet, doch sein Mund stand vor Schreck offen. Ich konnte nur vermuten, dass er sich gerade an ein Gespräch erinnerte, in dessen Verlauf ich ihm zu verstehen gegeben hatte, Narian und ich wären nur Freunde. Wenn dem so war, dann musste er sich jetzt ungemein getäuscht fühlen.
Jetzt, wo die Wahrheit schon heraus war, kam Cannan auf sein ursprüngliches Thema zurück. »Wie verhielt Narian sich in den letzten Wochen vor seiner
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