Alex Benedict 03: Die Suche
und melde mich wieder bei Ihnen.«
Am folgenden Tag unternahm ich virtuelle Besichtigungstouren durch ein halbes Dutzend Museen und verbrachte eine Menge Zeit damit, mir Artefakte aus dem Dritten Jahrtausend anzusehen. Ich sah ein Kunststoffbehältnis, das einst als Makeup-Koffer gedient haben mochte, ein elektronisches Gerät, dessen Funktion man allenfalls raten konnte, ein Paar hochhackige Damenschuhe, einige Stifte, eine Lampe, ein Sofa, einen laminierten Bogen Papier, der als »Kleinanzeigenteil einer Tageszeitung« ausgewiesen war. Ich wusste nicht einmal, was eine Tageszeitung sein sollte, und ebenso erging es jedem, den ich danach fragte (mit Ausnahme von Marquard, der mir später erklärte, es handele sich um gedruckte Informationen, die in Papierform über große Gebiete verbreitet worden waren). Dann war da noch ein Herrenhut mit einem Visier zum Schutz gegen die Sonne und eine Münze mit einem Adler auf einer Seite. Metallgeld. United States of America.
In God We Trust – wir vertrauen auf Gott. Sie war mit der Ziffer 2006 datiert, und das Datendisplay verriet, dass es sich um die Zweitälteste Münze handelte, die je gefunden worden war.
Ich betrachtete die Ausstellungsstücke, und als ich alles gesehen hatte, was mich interessierte, zog ich mich in einen Leseraum zurück und öffnete eine der Datendateien.
Das Dritte Jahrtausend war eine turbulente Zeit gewesen. Die Erde war weit über ihre Kapazitäten hinaus bevölkert gewesen. Ihre Bewohner schienen sich untereinander ständig im Krieg zu befinden, mal ging es um politische Interessen, dann wieder um Expansionsbestrebungen oder um Religion. Politische Systeme waren grundsätzlich korrupt und neigten zum Zusammenbruch.
Es gab ernste Umweltprobleme, Überbleibsel des industriellen Zeitalters, und die Verschlechterung der globalen Klimabedingungen, die sich mit der zunehmenden Skrupellosigkeit der politischen Führer zu überschneiden schienen. Der schlimmste von ihnen war Marko III., seinen amerikanischen Untertanen auch bekannt unter dem Namen ›Der Prächtige‹.
Mitten im fünfundzwanzigsten Jahrhundert, zu der Zeit, als Marko ganz nach Gutdünken Menschen einsperren und töten ließ, beendete Diane Harriman ihre grundlegende Arbeit über die dimensionale Struktur des Raum-Zeit-Kontinuums, und zwanzig Jahre später brachten uns Shi-Ko Han und Edward Cleaver den interstellaren Antrieb.
Weitere vier Jahre gingen dahin, bis wir die erste bewohnbare Welt entdeckt hatten. Ich war nicht überrascht zu lesen, dass sich ein ganzer Haufen Freiwillige gefunden hatte, der sich für die Reise in die Fremde meldete.
Ich wollte gerade Feierabend machen und nach Hause gehen, als Jacob einen Ruf an mich durchstellte. »Chase«, sagte eine vertraute Stimme, »ich denke, ich habe gefunden, was Sie suchen.«
Es war Marquard. »Sie haben die Searcher identifiziert?«
»Ja.« Etwas an seinem Tonfall klang seltsam. »Darf ich fragen, warum Sie sich dafür interessieren?«
Ich erzählte ihm von der Tasse. Er hörte zu, ohne etwas zu sagen, und als ich geendet hatte, schwieg er immer noch. »Sie sind dran«, sagte ich schließlich. »Was haben Sie herausgefunden?«
»Etwas Überraschendes. Könnten Sie zu mir in die Universität kommen?«
»Können Sie mir nicht einfach sagen, worum es geht?«
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wie wäre es, wenn wir uns zum Abendessen treffen?«
So zurückhaltend und feinfühlig wie eine Lawine. »Dr. Marquard, ich habe wirklich keine Zeit, bis nach Barcross rauszukommen.« Es hätte mir zwar Spaß gemacht, aber der Weg ist wirklich weit.
»Nennen Sie mich Shep. Und ich verspreche Ihnen, Sie werden es nicht bereuen.«
Barcross ist eine große, diamantförmige Insel, die vermutlich vor allem als beliebtes Sommerreiseziel für Singles bekannt war. Vor Jahren hatte ich eine Phase, wo dieser Ort gelegentlich auch in meinem persönlichen Kalender verzeichnet war. Ein bisschen Brandung, ein bisschen Mond, ein bisschen Traum. Ein Ort, der einem das Gefühl geben kann, die große Liebe würde dort irgendwo auf einen warten. Ich bin inzwischen ein wenig realistischer geworden, aber ich fühlte dennoch ein vages Bedauern, als ich tief über dem Meer anflog und auf die verlassenen Strände und Villen der Insel schaute. Die Sonne war soeben am Horizont versunken, und die ersten Lichter flammten auf.
Die Insel war künstlich geschaffen, und sie war terrassenförmig angelegt, sodass zumindest theoretisch jeder einen Blick
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