Alex Benedict 03: Die Suche
Mythos, oder nicht?«
»Eigentlich nicht. Das ist passiert.«
»Sie hatten wohl nicht viel für ihre Heimatwelt übrig.«
»Chase, sie haben in einer Gesellschaft gelebt, die nominell als Republik galt …«
»… aber …?«
»Aber sie wurde von den Kirchen kontrolliert, und die haben die Schulen vorwiegend zur Indoktrination benutzt, weniger dazu, ihre Schüler zu unterrichten. Patriotismus war definiert als felsenfeste Stütze für die Führung und die Flagge. Alles andere galt als illoyal. Entscheidungen in diesem Regime durften nicht in Frage gestellt werden.«
»Und was ist passiert, wenn es doch jemand tat? Kam man dann ins Gefängnis?«
»Höllenfeuer.«
»Was?«
»Jeder war von Gott dazu verpflichtet, sich dem Willen des Präsidenten zu unterwerfen. Dem Kaiser, was des Kaisers ist.«
»Das war damit aber nicht gemeint.«
»Sie haben es ein wenig verdreht. Wer sich gegen das politische System und damit gleichzeitig gegen die Gesellschaft stellte, in Gedanken oder Taten, beging ein schweres Verbrechen gegen den Allmächtigen.«
»Hat es denn da gar keine Kritiker gegeben?«
»Sicher, aber man hörte nicht viel von ihnen.«
Es war schwer zu glauben, dass Menschen je so gelebt haben konnten. »Also ist das ein berühmtes Schiff.«
»Oh ja.«
»Wollen Sie mir etwa erzählen, die Seeker wäre ebenfalls nie wieder aufgetaucht?«
»Exakt.« Wieder beugte er sich zu mir vor, und der Kerzenschein spiegelte sich in einer Reihe weißer Zähne. »Chase, wenn diese Tasse, von der Sie mir erzählt haben, wirklich von der Seeker stammt, hätten Sie es nicht besser treffen können.« Wein und Gebäck kamen. »Sie sagen, eine Frau ist bei Ihnen hereingeschneit, ohne Sie überhaupt zu kennen, und hat Ihnen das Objekt gezeigt? Ohne jede Erklärung?«
»Ja, ziemlich genau das ist passiert.« Ich dachte daran, wie Alex sich freuen würde.
»Ich nehme nicht an, dass Sie sie dabei haben.«
Ich lächelte. »Hätte ich versucht, sie mitzunehmen, hätte Alex einen Herzanfall bekommen.«
»Und Sie sind sicher, dass sie schon neuntausend Jahre alt ist?«
»Das sagen unsere Untersuchungsergebnisse.«
»Unglaublich.« Er reichte mir mein Glas und hob das seine. »Auf die Margolianer«, sagte er.
Genau. »Also, was ist aus ihnen geworden?«
Er zuckte mit den Schultern. »Das weiß niemand.«
Der Wein war gut. Kerzen. Feuerschein. Und guter Wein. Und gute Neuigkeiten. Die Kombination war kaum zu schlagen. »Sind sie ganz verschwunden?«
»Ja.« Die Bedienung war wieder da. Ich bevorzuge leichte Gerichte, vor allem, wenn jemand anderes zahlt, also wählte ich einen Fruchtsalat.
Die Bedienung fragte mich, ob ich sicher sei, und versprach, die Cordelia-Sturzwellen seien hervorragend.
»Die Seeker«, fuhr Marquard fort, »verließ die Erde am 27. Dezember 2688 mit annähernd neunhundert Personen an Bord. Zwei Jahre später kehrte sie zurück und nahm weitere neunhundert mit.«
»Es gab doch noch eine dritte Reise, richtig?« Allmählich erinnerte ich mich doch wieder an die Geschichte.
»Ja. Das andere Schiff war die Bremerhaven. Jedes Schiff unternahm drei Transporte. Sie haben mehr als fünftausend Leute zu der Kolonie gebracht.«
»Und niemand weiß, wo sie war? Wie ist das überhaupt möglich? Man kann doch nicht einmal die Station verlassen, ohne einen Flugplan einzureichen.«
»Chase, wir reden von den Anfängen des interstellaren Zeitalters. Damals gab es nicht so viele Vorschriften.«
»Wem hat das Schiff gehört?«
»Den Margolianern. Den Berichten zufolge wurde es nach jedem Flug vollständig überholt.«
»Hört sich an, als wäre es nicht gerade im besten Zustand gewesen.«
»Ich weiß nicht, welche Anforderungen interstellare Flüge in der Zeit gestellt haben.«
»Wurde eine Suche nach ihnen durchgeführt?«
»Schwer zu sagen. Die Aufzeichnungen sind in diesem Punkt nicht eindeutig.« Er trank seinen Wein aus und betrachtete das Glas, das im Kerzenschein funkelte. »Die Behörden haben sich nicht allzu viel Mühe gegeben, Chase. Immerhin waren das Leute, die nicht gefunden werden wollten.«
»Warum nicht?«
Ein ungezwungenes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. Er sah wirklich gut aus. Eine Weile saß er nur da und bewunderte meine weibliche Ausstrahlung oder dessen körperliche Attribute oder das Knabbergebäck. Als die Bedienung mit einer Platte voller Nüsse und Trauben auftauchte, nickte er anerkennend. »Man hat Unruhestifter in ihnen gesehen. Sie wollten außer Reichweite bleiben,
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