Alex Benedict 03: Die Suche
aufs Meer hatte. Im Moment war keine Saison. Nur ein paar besonders ausdauernde Gestalten schlenderten über Rampen und Spazierwege. Die meisten Läden und Restaurants waren geschlossen.
Die Insel hatte vierzigtausend Einwohner, noch einmal so viele lebten auf den umliegenden Inseln. Die Universität zählte siebentausend Studenten, die von der ganzen Inselgruppe und vom Festland hergekommen waren. Sie hatte einen guten Ruf, besonders was knallharte Wissenschaft betraf. Aber auch für jemanden, der vorhatte, Arzt zu werden, war das der richtige Ort.
Der Campus erstreckte sich über zwei weite Terrassen und lag direkt unter den Verwaltungsgebäuden, die den höchsten Punkt der Insel einnahmen. Ich schaltete den Gleiter auf den automatischen Leitflug um, der mich zu einer Landeplattform gleich neben einer Kuppel führte. Das Kuppelhaus beherbergte ein Studentenzentrum, mehrere Läden und ein Restaurant. Das Restaurant hieß Benjamin’s. Es war mir noch von früher in Erinnerung, aber damals, vor langer Zeit, war es noch in der Nähe des Strandes gewesen.
Marquard tauchte überraschend aus einer Hintertür auf. Mit schnellen Schritten kam er zu mir auf die Landeplattform, öffnete die Luke und reichte mir die Hand, um mir beim Aussteigen behilflich zu sein. In einer Zeit, in der Ritterlichkeit nur als eine weitere antiquierte Sache behandelt wurde, war das ein guter Anfang.
Barcross besitzt vermutlich den schönsten Campus auf dem ganzen Planeten, überall Obelisken und Schildpattbauten und Pyramiden und ein spektakulärer Meeresblick. Aber an diesem Tag war es kalt, und ein harscher Wind hing uns im Nacken und fegte uns beinahe in das Studentenzentrum hinein.
»Schön, Sie kennenzulernen, Chase«, sagte er und führte uns ins Benjamin’s. »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.« Er trug eine graue Hose und ein blaues Hemd mit einem Muschelschalenmuster unter einem weißen Jackett. Er sah gut aus, ein großer, schneidiger Typ mit Sinn für Humor, vielleicht ein bisschen schüchtern, und dabei, sich ins Nachtleben zu stürzen.
Wir setzten uns und griffen nach den Speisekarten. Benjamin’s hatte sich im Lauf der Jahre kaum verändert. Der Essensbereich war größer als in den alten Tagen, als das Restaurant noch am Pier gelegen hatte. Und natürlich hatte sich die Auswahl auf der Karte verändert. Aber das Lokal war immer noch so gemütlich und dezent, und es hatte immer noch Seefahrerambiente. Überall waren Segel und Steuerräder und Kompasse, und eine Wand öffnete sich zu einem virtuellen Leuchtturm im Sturm. Außerdem gab es noch immer die Bilder von gefeierten Entertainern, darunter auch eins von Cary Webber, das sie vor dem Restaurant auf dem Pier mit dem Ozean im Hintergrund zeigte. Sie sah verloren aus. Cary war der Liebling der Romantiker gewesen, aber sie war jung gestorben und folglich, logischerweise, unsterblich geworden.
Wir bestellten Wein und etwas Knabbergebäck. Als die Bedienung wieder gegangen war, beugte sich Marquard über den Tisch und flüsterte mir zu, ich sei äußerst apart. »Aber«, fügte er hinzu, »das wissen Sie natürlich längst.«
Ich fragte mich, ob ich mich auf einen langen Abend einstellen sollte. Zunächst aber sagte ich artig danke, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte, faltete meine Hände und legte das Kinn darauf. »Shep«, sagte ich, »was haben Sie über die Searcher herausgefunden?«
»Falsche Übersetzung, Chase.« Er sah sich um, als wollte er sich vergewissern, dass wir unter uns waren – das waren wir, abgesehen von einer Gruppe von drei oder vier Studenten, die am Fenster saßen –, und er senkte die Stimme. »Sie heißt Seeker.« Er sprach die Worte aus, als hätten sie eine besondere Bedeutung.
»Seeker«, wiederholte ich.
»Das ist richtig.«
»Gut.«
»Chase, ich fürchte, Sie verstehen nicht ganz. Das könnte die Seeker sein.«
»Tut mir leid, Shep, aber ich habe keine Ahnung, worum es eigentlich geht. Was ist die Seeker?«
»Das ist eins von den Schiffen, die die Margolianer zu ihrer Kolonie gebracht haben.«
»Die Margolianer.«
Er lächelte über meine Unwissenheit. »Sie haben die Erde während des Dritten Millenniums verlassen. Genauer gesagt, sie sind geflohen. Sie haben niemandem gesagt, wohin sie wollten. Sind einfach auf eigene Faust mit fünftausend Leuten losgezogen. Und wir haben nie wieder etwas von ihnen gehört. Sie sind die verlorene Kolonie.«
Atlantis. Intava. Margolia. Langsam ging mir ein Licht auf. »Das ist ein
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