Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
Prolog
Die »Blue-Lady« – Morde
1
Der Bezirksstaatsanwalt für Cumberland County, North Carolina, Marc Sherman, schob den alten hölzernen Armsessel vom Tisch der Staatsanwaltschaft zurück und verursachte dabei im nahezu stillen Gerichtssaal ein lautes scharrendes Geräusch.
Danach erhob sich Sherman und schritt langsam zu den Geschworenen. Neun Frauen und drei Männer saßen dort – sechs Weiße, sechs Afroamerikaner. Voll Spannung warteten sie darauf, was Sherman ihnen sagen würde. Sie mochten ihn. Das wusste er und rechnete damit. Ihm war außerdem bewusst, dass er diesen dramatischen Mordprozess auch ohne das mitreißende Plädoyer gewonnen hätte, das er jetzt halten würde.
Aber er spürte ein starkes Verlangen nach diesem Schlussauftritt, um Sergeant Ellis Cooper für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Soldat hatte die gemeinsten und feigsten Morde in der Geschichte des Cumberland County begangen – die sogenannten »Blue-Lady«-Morde. Die Menschen in diesem Bezirk erwarteten, dass Sherman Ellis Cooper bestrafte. Cooper war ein Schwarzer, und Sherman würde sie nicht enttäuschen.
Der Bezirksstaatsanwalt begann: »Ich mache das schon eine Zeit lang – genauer gesagt sieben Jahre. Während der gesamten Zeit sind mir keine Morde untergekommen wie die, welche im Dezember letzten Jahres von dem Angeklagten Sergeant Ellis Cooper begangen wurden. Was als Eifersuchtstat im Affekt begann und sich gegen ein Opfer richtete, gegen Tanya Jackson, steigerte sich zu einem abscheulichen Massaker an drei Frauen. Alle waren verheiratet, und alle waren Mütter. Zusammengerechnet hatten diese Frauen elf Kinder und selbstverständlich drei vor Gram gebeugte Ehemänner und zahllose andere Familienmitglieder, Nachbarn und enge Freunde.
Die Tat ereignete sich an einem schicksalhaften Freitagabend. Tanya Jackson, Barbara Green und Maureen Bruno hatten ihr Damenkränzchen. Während ihre Männer wie üblich in Fort Bragg ihren Kartenabend genossen, trafen sich die Frauen, um zu lachen, zu klatschen und die wertvolle Freundschaft zu genießen, die die drei verband. Tanya, Barbara und Maureen waren wirklich eng befreundet. An jenem Freitag traf man sich abends im Haus der Jacksons, wo Tanya und Abraham vier Kinder großzogen.
Gegen zweiundzwanzig Uhr, nachdem Sergeant Cooper in der Kaserne mindestens ein halbes Dutzend harte Drinks gekippt hatte, ging er zum Haus der Jacksons. Wie Sie in der eidesstattlichen Zeugenaussage gehört haben, wurde er von zwei Nachbarn an der Vordertür der Jacksons gesehen. Er schrie und forderte Mrs. Jackson auf, herauszukommen.
Dann stürmte Sergeant Cooper ins Haus. Mit einem Spezialmesser, das bei den Spezialtruppen der United States Army beliebt ist, griff er die Frau an, die seine Annäherungsversuche abgelehnt hatte. Er tötete Tanya Jackson mit einem einzigen Messerstich. Sie war sofort tot.
Dann setzte Sergeant Ellis Cooper das Messer gegen die einunddreißigjährige Barbara Green ein und letztendlich noch gegen Maureen Bruno, die dem Blutbad um Haaresbreite entronnen wäre, hätte Cooper sie nicht an der Eingangstür erwischt. Alle drei Frauen wurden durch kraftvolle Stöße eines Hünen ermordet, der im John-F.-Kennedy-Spezialtrainingszentrum, dem Hauptquartier der Sondereinheiten, den Nahkampf erlernt hatte.
Das Überlebensmesser wurde als persönliches Eigentum Sergeant Coopers identifiziert, eine tödliche Waffe, die er nach seiner Rückkehr aus Vietnam Anfang 1970 aufbewahrt hatte.
Sergeant Coopers Fingerabdrücke konnten überall auf dem Messer sichergestellt werden.
Seine Fingerabdrücke fanden sich auch an der Kleidung von Mrs. Jackson und Mrs. Green. Hautpartikel unter den Fingernägeln von Mrs. Jackson stimmten mit der DNA Sergeant Coopers überein. Haarsträhnen von ihm wurden ebenfalls am Tatort sichergestellt. Die Mordwaffe wurde auf dem Dachboden von Coopers Haus aufgefunden, ebenso die pathetischen Liebesbriefe, die er an Tanya Jackson geschrieben hat – allerdings ungeöffnet .
Sie haben die grauenhaften Fotos gesehen, die zeigten, was Sergeant Cooper den drei Frauen angetan hat. Sobald sie tot waren, bemalte er die Gesichter der Frauen mit einer gespenstischen blauen Farbe, ebenso ihre Brüste und Bäuche. Das ist grauenvoll und abartig. Wie ich bereits sagte – die schlimmsten Morde, mit denen ich es je zu tun hatte. Sie wissen, dass es nur ein Urteil geben kann. Und dieses Urteil lautet schuldig! Dieses Ungeheuer muss ausgelöscht
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