Alex Rider 08: Crocodile Tears
gespielt. Bei Texas Hold’em muss man vor allem gut bluffen können. Mithilfe der aufgedeckten Karten bildet man Paare auf dem Tisch, Drillinge, ein Full House und so weiter. Alles hängt von den verdeckten Karten ab, die man bekommt. Sie können fantastisch, aber auch ganz unbrauchbar sein. Die Kunst liegt darin, sich nicht anmerken zu lassen, was man hat.
Alex sah, wie McCain die Ecken seiner Karten mit dem Daumen anhob und lächelte. Er machte keinerlei Anstalten, seine Freude zu unterdrücken. Vielleicht bluffte er nur, aber Alex spürte, dass ein Mann wie McCain seine Gefühle nicht verbergen konnte. Offenbar hatte er zwei gute Karten erhalten – hohe Karten oder ein Paar. Alex schaute sich seine eigenen Karten an. Sie waren nicht besonders, aber er verzog keine Miene.
»Fangen wir an«, sagte McCain.
Das Setzen begann.
Alex betrachtete das Geld, das er erhalten hatte. Man konnte fünfhundert Pfund bestimmt sinnvoller ausgeben. McCain eröffnete die Runde mit hundert Pfund. Die Fernsehmoderatorin stieg sofort aus.
»Es hat keinen Sinn, gegen Sie zu spielen«, sagte sie mit einem breiten schottischen Akzent. »Sie gewinnen immer.«
» Die Läufer im Stadion laufen zwar alle, aber nur einer gewinnt den Siegespreis. « McCain lachte kurz. »Erster Korinther, Kapite l 9, Ver s 24.« Er wandte sich an den Soldaten. »Gehen Sie mit, Hamilton?«
Hamilton stieg ebenfalls aus. Der Steuerberater, Alex und die rotblonde Frau schoben jeweils einen Hundert-Pfund-Chip vor.
Der Croupier, ein blasser, ernst blickender Mann Ende zwanzig, schien nicht erfreut, dass ein Teenager mitspielte, legte aber trotzdem drei Karten – sogenannte Flop-Karten – offen auf den Tisch und wartete auf die nächste Setzrunde.
Zwei Runden später wurde die letzte Karte ausgeteilt und das Finale stand bevor. Auf dem grünen Spieltisch lagen nun die folgenden fünf Karten:
Bisher hatte Alex dreihundert Pfund gegen McCain gesetzt. Sie spielten nur noch zu dritt. Auch die zweite Frau war ausgestiegen, sodass Alex, der Steuerberater und McCain übrig blieben. Dass zum Kreuzass zwei Buben gekommen waren, machte das Spiel besonders spannend. In einem richtigen Kasino mit mehr Mitspielern wären die Einsätze jetzt womöglich auf mehrere Hunderttausend Pfund gestiegen. Aber auch so war es ein teures Spiel.
Alex hatte nur noch zweihundert Pfund, der Steuerberater hingegen besaß fast so viel wie McCain. Außerdem war offensichtlich, dass es um mehr ging als um Geld. McCain lächelte zwar noch ganz entspannt, aber er wollte das Spiel unbedingt für sich entscheiden. Es war seine Party, seine Burg, sein Abend. Es war eine Frage des persönlichen Stolzes.
Die anderen Anwesenden schienen dies ebenfalls zu spüren. Das Rouletterad drehte sich nicht mehr und die Gäste hatten sich um den Tisch versammelt, um dem seltsamen Wettkampf beizuwohnen – zwei Männer, ein Junge und fünf weiße Rechtecke, die in Kombination mit den verdeckten Spielkarten zum Sieg oder zur Niederlage führen konnten.
»Interessante Karten«, brummte McCain. »Wenn einer von euch ein Ass hat, hat er zwei Paare. Damit könnte er den gesamten Einsatz gewinnen.«
Warum sagt er das?, überlegte Alex. Die Wahrscheinlichkeit zweier Paare war beim Poker nicht sonderlich groß. Warum also darauf hinweisen? Wollte er sie provozieren? Oder vielleicht nur ablenken? Angenommen er hatte einen Drillin g …
»Ich schlage euch etwas vor«, fuhr McCain fort. »Es ist das letzte Spiel des Abends, warum machen wir es nicht noch ein wenig spannender?«
Er hob theatralisch die Hände, führte sie langsam zueinander, bis die Daumenspitzen sich berührten, und legte sie dann flach auf den Tisch. Die Zuschauer hielten den Atem an. McCain schob wie mit einer Schaufel alle seine Chips in die Mitte des Tisches. Chips im Gesamtwert von mindestens fünfzehntausend Pfund purzelten übereinander. Einige Zuschauer klatschten. Jeder wusste, was das bedeutete: alles oder nichts. An solche Spiele erinnerten passionierte Zocker sich ihr Leben lang.
»Ich will euch entgegenkommen«, sagte McCain. Er fuhr sich mit der Hand über den Unterkiefer, wie um ihn gerade zu rücken. »Mir ist klar, dass ihr beide nicht genug Geld habt, um mitzugehen, aber ich bin heute wohltätig gestimmt.« Er lächelte über seinen Scherz. »Setzt einfach das, was ihr habt, und wir sind quitt.«
Der Steuerberater trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Soll das etwa heißen, Sie haben einen dritten Buben?«, fragte er den
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