Alex Rider 08: Crocodile Tears
rieb er an der Wunde, aber das machte es nur schlimmer. Er durfte nicht an sie denken, bis ein Arzt sie versorgte.
Wo war er? Durch den Ausgang war er in ein weiteres Gewächshaus gelangt. Hier standen lauter Bottiche, die mit Getreidekörnern gefüllt waren – vermutlich Weizen. Er war noch nicht in Sicherheit, aber wenigstens wurde nicht mehr auf ihn geschossen. Vielleicht hielten die Sicherheitsleute ihn für tot.
Er gelangte zu einer weiteren Tür und trat ins Freie. In der Ferne hörte er Schreie, in deren Richtung dann auch gleich zwei Elektroautos mit Wachmännern rasten. Das moderne Hörsaalgebäude lag direkt vor ihm. Alex wusste nicht, ob die Kameras noch außer Betrieb waren, aber es war ihm inzwischen egal. Er war müde und die Hand tat ihm weh. In seinen Haaren hingen Glassplitter und er hatte Schnittverletzungen auf der Stirn und im Gesicht. So viel zu den Auswirkungen des Erdkundeunterrichts. Wenn M r Gilbert das nächste Mal eine Klassenfahrt vorschlug, würde er sagen, er hätte keine Zeit.
Mit bleiernen Beinen rannte er auf den Hörsaal zu. Vielleicht saßen seine Mitschüler ja bereits da drin und er konnte unbemerkt zu ihnen hineinschlüpfen. Er sah sich schon eindösen, während die anderen über ein gentechnisches Thema diskutierten.
Die Tür des Saals ging auf und zwei Sicherheitsbeamte traten heraus. Sie bemerkten Alex im selben Moment, in dem er sie sah. Die Jagd ging weiter.
Alex machte kehrt und flitzte zurück.
Flucht
T om Harris machte sich allmählich Sorgen.
Fast eine Stunde war vergangen, seit Alex in der Toilette verschwunden war wie Superman, der rasch sein Kostüm anzieht und dann die Welt rettet. Nur dass die Wirklichkeit anders aussah. Tom wusste, dass Alex gar nicht für den MI6 arbeiten wollte. Alex hatte ihm das auf ihrer gemeinsamen Italienreise gesagt. Hatte er seine Meinung geändert? Und was konnte an einem Forschungszentrum so interessant sein, wo man sich vor allem damit beschäftigte, die perfekte Tomate zu produzieren?
Nach Alex’ Verschwinden hatte der Rest der Klasse ein Labor besichtigt. Ein junger Wissenschaftler mit sorgfältig gestutztem Bart hatte ihnen eifrig das chemische Verfahren erklärt, mit dem man neue DNA in eine Pflanzenzelle einbauen konnte. Tom hatte ihm kaum zugehört. Sich zu konzentrieren fiel ihm sowieso schwer und außerdem hatte er bereits beschlossen, dass er nach der mittleren Reife mit Erdkunde und den Naturwissenschaften aufhören würde, wenn möglich mit dem ganzen Schulkram. Wozu brauchte er den noch? Seine Eltern hatten sich vor Kurzem scheiden lassen. Sein Vater lebte allein in einem möblierten Zimmer im Londoner Süden, seine Mutter hatte wieder angefangen zu rauchen. Sie waren beide Musterschüler mit hervorragenden Noten gewesen, aber was hatte es ihnen gebracht?
Seine Klasse und die Lehrer gingen zum nächsten Labor weiter. Als sie an einem Fenster vorbeikamen, sah Tom suchend hinaus. Keine Spur von Alex. Doch bei der nächsten Vorführung, die mit in flüssigem Stickstoff gefriergetrockneten Pflanzen zu tun hatte, bemerkte er, dass in der Ecke des Zimmers ein rotes Licht zu blinken begann. Auch Dr . Bennett entging es nicht. Tom sah an ihrem Gesicht, dass sie beunruhigt war. Offenbar handelte es sich um einen Alarm.
Dann hörte er in der Ferne ein Geräusch. Dort zerbrach Glas und zwar eine ganze Menge. Die anderen lauschten aufmerksam den Ausführungen eines Wissenschaftlers und machten sich Notizen. Tom wusste, was der Alarm bedeutete. Alex war auf der Flucht. Am liebsten wäre er hinausgegangen, um ihm zu helfen.
Zum Glück tat er es nicht. Sobald die Vorführung beendet war, wollte Dr . Bennett unbedingt die Anwesenheit der Schüler überprüfen lassen. Tom sprang wie versprochen für Alex ein und konnte seine Stimme auch überzeugend nachmachen.
»Alex Rider?«
»Hier, Sir.«
Nur James Hale, der neben ihm stand, bemerkte die Täuschung und sah ihn fragend an. Tom zuckte die Schultern und schwieg.
Anschließend besuchten sie eine Art Werkstatt im zweiten Untergeschoss. Tom fragte sich, ob man sie absichtlich hierhergebracht hatte, damit sie nicht mitbekamen, was draußen vorging. Eine Wissenschaftlerin – diesmal eine junge Chinesin – zeigte ihnen die berühmte Genkanone, entwickelt vom Direktor des Instituts höchstpersönlich. Die Kanone sah nicht spektakulär aus. Sie ähnelte einem kleinen Safe aus Metall mit einer Glastür. Doch sie spielte in der Gentechnik eine zentrale Rolle. Die Chinesin öffnete
Weitere Kostenlose Bücher