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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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kerngesund an einem Ausflug nach Straßburg teilgenommen hat«, versetzte der Anwalt schadenfroh.
    Ich nickte und sah ihm weiterhin fest in die Augen. »Die allerdings am Abend vor diesem Ausflug stark blutend nach Hause gekommen ist.«
    »So war’s nicht«, flüsterte der Lehrer mit Tränen in den Augen.
    Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er gesprochen hatte.
    »Wie war es dann?«, fragte ich ruhig.
    Aber Plakowsky zog es schon wieder vor, zu schweigen.
    Der Adamsapfel des Anwalts hüpfte aufgeregt. »Herr Plakowsky, Sie sagen jetzt bitte nichts. So, wie wir es abgesprochen haben. Kein Wort mehr, okay?«
    »Sie haben gut getippt«, sagte der Lehrer zu mir und sah endlich auf. »Sie wollte zweitausend. Es sei aber wirklich das allerletzte Mal.«
    »Herr Plakowsky, kein Wort mehr, ich bitte Sie!«
    »Stimmt auch, dass ich sie angeschrien habe. Am Telefon schon. Sie ist ganz ruhig geblieben. Hat gesagt, wenn ich nicht zahle, dann geht sie zur Polizei. Ich wäre erledigt gewesen. Ich bin gerne Lehrer. Ich liebe meinen Beruf. Und nur weil ich einmal im Leben eine Millisekunde lang …«
    »Sie haben sie zu sich bestellt?«
    Plakowsky nickte, als wäre es das allerletzte Mal, und schloss wieder die Augen.
    »Am nächsten Abend. Am Donnerstag. Am Telefon habe ich gesagt, okay, in Gottes Namen, aber ich muss das Geld erst besorgen. Sie wollte nicht in meine Wohnung. Hat den Braten natürlich gerochen, das Luder. Deshalb haben wir uns am Bahnhof verabredet. Ich habe sie dann auf dem Handy angerufen und ihr erzählt, ich hätte mir den Fuß verstaucht, und sie bräuchte ja nur bis zur Haustür zu kommen. Erst hat sie sich ziemlich geziert, aber am Ende hat die Geldgier gesiegt.«
    Der Anwalt klappte sein Laptöpchen zu, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der krawattengeschmückten Brust.
    »Sie ist also zu Ihnen gekommen …«, sagte ich.
    Plakowsky schwieg, und ich fürchtete schon, er würde nicht weitersprechen. Aber dann öffnete er erneut den Mund, und jetzt klang seine Stimme schon kräftiger.
    »Zwanzig Minuten später war sie da. Es war schon dunkel. Ich hatte keinen Plan, wirklich nicht. Auf der Straße ist niemand gewesen, im Treppenhaus auch nicht. Da habe ich sie einfach gepackt, ihr den Mund zugehalten, sie hat gestrampelt und gebissen, aber ich war natürlich stärker. Oben habe ich ihr meinen kleinen Schreckschussrevolver an den Kopf gehalten. Bloß ein Spielzeug, und nicht mal geladen, aber es hat enormen Eindruck auf sie gemacht. Da war sie auf einmal steif wie ein Brett. Ich habe ihr Klebeband gegeben und gesagt, sie soll sich den Mund zukleben. Hat sie auch brav gemacht. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so viel Angst hatte. Dann habe ich sie auf einen Stuhl gefesselt, auch mit dem Klebeband, und ihr wieder den Revolver an die Stirn gedrückt. Richtig fest und lange. Sie hat Angst um ihr Leben gehabt. Sollte sie ja auch. Sie sollte begreifen, was passieren kann, wenn man solche Spielchen macht. Dann habe ich sie mit dem Stuhl ins Bad gestellt, das Licht ausgeknipst und sie einfach im Dunkeln sitzen lassen.«
    »Wie lange?«
    »Weiß ich nicht. Ich habe mir eine Wodkaflasche gegriffen, die von irgendeiner Party übrig geblieben war, und mich aufs Sofa geschmissen und volllaufen lassen. Ich trinke sonst nicht viel. Aber an dem Abend … Manchmal habe ich gehört, wie es im Bad gewummert hat. Sie hat randaliert. War mir egal. Mir war alles egal. Die Nachbarn unter mir waren in Urlaub. In den Anden, vier Wochen. Das wusste ich, weil ich den Schlüssel hatte, zum Blumengießen. Irgendwann bin ich eingeschlafen. Einfach eingeschlafen, in so einer Situation … Wie ich wieder aufgewacht bin, da war’s fast Mitternacht. Ich habe sie losgebunden und gehen lassen.«
    »Mit Geld oder ohne?«
    »Ohne. Sie wollte auch keines mehr. Ich hatte die Schnauze so was von voll. Habe sie einfach laufen lassen. Sollte sie doch machen, was sie wollte. Außerdem war ich sturzbetrunken. Mir war alles egal. Alles. Habe sogar allen Ernstes überlegt, sie umzubringen. Einen kurzen Moment. Aber ich hab’s nicht getan. Ich hab’s nicht getan.«
    »Das weiß ich. Am nächsten Tag war sie ja in Straßburg.«
    »Die ganze Nacht habe ich gedacht, gleich klingelt die Polizei. Am Freitagmorgen habe ich mich krankgemeldet. Eigentlich hätte ich ja dabei sein sollen, bei dieser Klassenfahrt. Aber ich konnte nicht. Beim besten Willen. Ich war völlig alle. Ständig habe ich gedacht, gleich klingelt

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