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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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tatsächlich geschehen, tatsächlich so geschehen, oder hatte sein erfindungsreiches Gedächtnis sie verändert, damit sie den symmetrischen Gewohnheiten des Ton- und Wortwerkers entsprachen? Ein Makedone, von einer schwarzen Frau verschmäht, nimmt das Räderwerk namens Dymas auseinander, setzt es nicht ganz richtig wieder zusammen, und die Dymas-Maschine erfüllt nicht mehr ihren Zweck, zerbricht – und all dies beginnt im Osten; es endet im Westen, ebenfalls in einer Nacht, in der ein Makedone eine dunkle Frau, die ihn geschmäht oder gekränkt haben mag, mißhandelt; und die Dymas-Maschine tötet den Makedonen, und in der gleichen Nacht greifen die Räder wieder ineinander – Wahrheit, Wirklichkeit, Wahnsinn?
    Das Nilland barg auch all die bittersüßen Erinnerungen an Tekhnef, den Beginn und zwangsläufig das Ende. Sie war nicht verändert worden – vielleicht hatte Alexander nicht versucht, sie zu verwandeln, sie wirklich zu beeinflussen; vielleicht wirkte seine Magie nur bei Männern; vielleicht waren Frauen überhaupt widerstandsfähiger. Aber sie hatte einen Menschen namens Dymas geliebt, Musiker, Mann, Spitzel, was auch immer, und aus diesem Mann war eine geborstene Maschine geworden, in der nichts mehr seinen Zweck erfüllte. Hätte er die Gabe der Musik verloren, hätte jemand ihn zum Eunuchen gemacht, wäre sie bei ihm geblieben bis zum Ende, dessen war er sicher. Aber da war nichts mehr gewesen, eine leere Hülle bestenfalls; Nichts, oder Niemand. Und kein Mensch kann mit Nichts oder Niemand leben, ohne selbst zunichte zu werden. Aber all diese Gedanken, langsam gewachsen und langsam gehegt, blühten erst im Lauf der langen Monde auf, die Dymas im Nilland verbrachte, und als sie in voller Blüte prangten, entstieg ihnen kein Duft, sondern widerlicher Gestank.

    Zunächst hatte er aus guten Gründen der wandernde Musiker Argos sein wollen. Aber in der ersten Schänke, die er in Kanopos besuchte, erkannte ihn jemand als Dymas, den Sänger und Kitharisten, der vor über einem Jahrzehnt verschwunden war. Es ließ sich nicht vermeiden, daß makedonische Offiziere ihn hörten und seinen Namen erfuhren; daher beschloß er, nicht allzu gut zu spielen, damit sie keinen Grund fänden, ihn landauf zu rühmen. Der König, den er keinesfalls wiedersehen wollte, hielt sich in Memphis auf, wo man ihn zum Pharao gemacht hatte.
    Nach zwei Monden langweilte Kanopos ihn; Dymas begab sich an Bord eines langsamen Lastenseglers, der den kanopischen Nilarm aufwärts und dann durch einen der zahllosen Kanäle nach Osten, zum naukratischen Mündungsarm fuhr. Es war ein guter Aufbruch, wie er später erfuhr. Während er an den endlosen Schilfwäldern und Lehmdörfern vorüberglitt, hatte der König beschlossen, seinen Kriegsumhang nicht weit von Kanopos zu Boden zu werfen und eine Stadt getreu den Umrissen der ausgebreiteten chlamys bauen zu lassen, die seinen Namen tragen sollte: Alexandreia. Er besuchte Kanopos, ritt die Landzunge nach Westen ab, trank Wein aus den am Mareotis-See angebauten Reben, genoß den frischen Seewind. Das alte Rhakotis würde Vorort, später vermutlich Teil der neuen Stadt werden, und die Insel Pharos sollte durch einen Damm mit dem Festland verbunden sein, wodurch zu beiden Seiten große Hafenbecken entstanden. Es war ein guter Plan, ein kühner und großartiger Entwurf, und für Dymas hatte er ferner die treffliche Eigenschaft, in Abwesenheit des Musikers entstanden zu sein.
    Naukratis ... Hier hatte er Kleonike und Tekhnef und den schwermütigen Verwalter kennengelernt, dessen Namen ihm nicht einfallen wollte. Er blieb nicht lang, erinnerte sich des Gesangs, den ihm Ruderer auf dem Nil beschert hatten, sang ihn in der Schänke, in der er damals gespielt hatte. Der Wirt, älter geworden, erinnerte sich; die Mädchen – andere als damals, furchterregend jung – schätzten die Musik, und eine von ihnen, eine Kreterin mit dunklem Haar und grünen Augen, besaß kühle Füße, die ihn etliche heiße Nächte hindurch erfreuten.
    Totentanz Ruderhand
fahr ich zur Unterwelt
ruh ich mich endlich aus
brech ich den Rudergriff
tanz ich den Totentanz
Totentanz Ruderhand ...
    Es brachte weitere düstere Erinnerungen an den kanopischen Totentanz; er verdrängte sie. Die auch in Naukratis anwesenden Makedonen sagten, Alexander begebe sich auf der Küstenstraße nach Westen, um von Paraitonion aus die Ammonsoase zu besuchen. Dymas nahm dies zum Anlaß, mit einem Getreidehändler flußauf zu fahren, nach

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