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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Zoll entrichtet hatte. Noch ein Stempel, noch ein Siegel; dann durften sie in den Handelshafen, ein großes rechteckiges Becken mit Lagerhäusern, Werkstätten, Werften und Geschäftshäusern. Nördlich des Beckens lag die verbotene Durchfahrt zum runden Kriegshafen, über und unter Wasser durch Bronzetore gesperrt.
    Dymas nahm sein geringes Gepäck – einen Ledersack mit Kleidung und anderen Habseligkeiten, den Münzbeutel und die Felltasche mit der Kithara – und ging an Land. Er atmete den Schweiß der Lastträger, den Ruch der Dirnen, die unglaubliche Mischung aus nassem Holz, Brackwasser, lebenden und toten Fischen, Pech, Leder, Segeltuch, Metallen und Feuer, die Gerüche aus den Läden und Lagern, wo Nahrungsmittel aller Art und tausend Handelsgüter gestapelt waren. Es war der Geruch der Heimat – seltsam, nach all den Jahren; und der Geruch trieb ihm Tränen in die Augen.
    Bei einem karchedonischen Wechsler – es gab in dem Gewerbe auch Hellenen und andere Metöken, aber die wurden nicht vom Rat beaufsichtigt – tauschte Dymas seine Münzen. Er besaß noch fast 1200 Drachmen, eine stattliche Menge, aber nichts im Vergleich zu früherem Wohlstand. Nach Abzug der üblichen Gebühren erhielt er dafür nicht ganz 700 sigloi ; er ermahnte sich, ab sofort wieder das Westphönikische zu sprechen (und zu denken) – shiqlu statt sigloi –, steckte die Münzen ein und verließ den Hafen.
    Tagelang berauschte er sich an der Stadt, den Plätzen, den Schänken, den Wasserverkäufern mit ihren schläuchetragenden Eseln, den Käfigen voll gemästeter Hunde, den von Hühnern wimmelnden Höfen (ihretwegen kamen Wiesel oder Marder in die Stadt), den hellen und dunklen Häusern aus Ziegeln und Holz oder auch Stein, der hellgrauen, fast weißen Seemauer mit den dunkelroten Fugen, der gewaltigen dreifachen Isthmosmauer, die Karchedon gegenüber dem Hinterland unangreifbar machte, den zahllosen Hautfarben und Zungen und Trachten. In einer billigen Schänke in der Südstadt, am kleinen Hafen des Sees von Tynes, fand er ein kleines, erträglich schmieriges Zimmer, zahlte zehn shiqlu für einen Mond und erwanderte die Stadt. Südlich des Byrsa-Hügels, in der Nähe der Agora, spielte er später dem Wirt des Hauses der Weinhändler vor und einigte sich mit ihm auf ein helles Zimmer im vierten Stockwerk, gutes Essen und reichlich Wein; dafür würde er jeden Abend im Schankraum die Kithara spielen und hoffen, daß die reichen Kaufherren ein paar Münzen in die Bronzeschale legten.
    Es war ein milder Winter, und eine gute Zeit. Er spielte jeden Abend, nie mehr als eineinhalb oder zwei Stunden; jeden Abend hinterließen die Gäste – nicht nur Karchedonier, nicht nur Weinhändler – Silbermünzen in seiner Schale, im Schnitt jeweils etwa zwei shiqlu. Er aß und trank gut, schlief lange, trieb sich tagsüber in der Stadt herum, entwickelte neue Melodien, erdachte neue Verse, die er nie aufschrieb, oder er las in den Rollen, die von den Bücherhändlern zu haben waren. Einige Nächte – nach der Musik – verbrachte er mit einer Elymerin, geboren in einem Dorf bei Lilybaion, die bei einem karchedonischen Fleischer arbeitete und ihm einmal zeigte, mit welcher Geschwindigkeit sie gemästete Hunde schlachten, ausnehmen und zerteilen konnte. Irgendwie stieß ihn dies ab; sie schieden friedlich.
    Einige Gäste kamen häufiger, darunter ein Waffenhersteller namens Baalyaton, der ihn einmal für den Abend vom Wirt »auslieh«, damit Dymas in seinem Stadthaus eine Feier mit Geschäftsfreunden durch Musik verfeinere.
    Hin und wieder kamen Nachrichten aus dem Osten, die Dymas aber nur am Rande berührten. Es hieß, Alexander habe eine große Schlacht gewonnen und Babylon eingenommen; vielleicht werde er sogar nach Persien selbst vorstoßen. Derlei Berichte erregten die Hellenen der Stadt, die Karchedonier dagegen sprachen häufiger von Dingen aus anderen Weltteilen – etwa den neuen Streitigkeiten zwischen Händlern und Adligen einerseits und Demokraten andererseits in Syrakus; man befürchtete, bei einer Machtübernahme der Demokraten könne das mühsam erreichte Gleichgewicht, kaum acht Jahre alt, zwischen dem karchedonischen Westsizilien und den hellenischen Sikeliotenstädten verlorengehen. Dymas ließ auch dies kalt. Er rechnete damit, früher oder später von Hamilkar zu hören; in gewisser Weise wollte er dies sogar herbeiführen, sonst hätte er sich in den nichtkarchedonischen Vierteln versteckt, statt in einem Versammlungshaus

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