Alexander
Als Erstes wollte, mit etwas heuchlerischem Interesse, der König wissen, ob ›alle Mörder seines Vaters bestraft seien‹.
Da geschah es, daß der Hohepriester mit dem Finger drohte. Sein weises Gesicht spielte in tausend Fältchen, wer hätte gedacht, daß es so zärtlich-neckisch werden könnte. »Ei, ei, mein Sohn«, drohte er mit ehrwürdiger Koketterie, »du weißt recht wohl, daß deinem Vater kein Sterblicher etwas anhaben könnte. – Der Mörder des Philipp aber ist bestraft«, fügte er kälter hinzu.
Bei dieser unmißverstehlichen Andeutung war Alexander vor Freude errötet, dann lachte er, beseligt, etwas verlegen dabei.
Seine nächste Frage war offener und unverfrorener; sie lautete: »Werde ich alles wissen?«, wobei seine Augen glühten. »Oh, du bist neugierig«, meinte väterlich-scherzhaft der im Schauen Große. Alexander dehnte sich wollüstig. »Grenzenlos«, sagte er nur.
Der Alte, dessen eingefallener Mund immer noch lächelte, erkundigte sich mit tiefer und prüfender Nachdenklichkeit im Blick: »Wozu willst du wissen, mein Kind?« Und Alexander, enthusiastisch, mit gebreiteten Armen, Glanz in der Stimme: »Um zu erlösen, mein Vater.« Der Eingeweihte darauf, ganz still, wie für sich:
»Du lügst.«
Alexander schien es zu überhören, sein gierig leuchtender Blick verlangte immer noch Antwort. Psammon zögerte, er sagte, schon wieder scherzhaft: »Aristoteles hat dich manches gelehrt.« Worauf der Jüngling ungeduldig die Schulter rückte: »Der wußte selbst nichts«, – wie ein trotziger Schüler.
Der Hochbejahrte schaute in eine Ferne, die verhangen schien. Nach einer Pause großen Nachdenkens sagte er schließlich mit flüchtigem Lächeln – denn er wußte nun schon, was kam – : »Lassen wir das bis später. Frage weiter, mein Kind.«
Alexander fragte nicht mehr, er forderte, und zwar so laut, daß der Tempel dröhnte: »Gib mir die Herrschaft der Welt, o Vater! Gib mir die Herrschaft der Welt!«
Seinen Worten hallte Echo nach, als habe er in einen Abgrund gerufen; es tönte und sauste. Gleichzeitig schien es dunkler zu werden.
Er fühlte auf sich, da er noch gereckt und zitternd stand, den Blick des Hohenpriesters, der sich mit Mitleid füllte. Aber als Psammon antwortete, war er schon nicht mehr bei Alexander, sondern weiter hinten, an der geschmückten Wand, wo die zweiflügelige, eherne Tür vor dem geheimsten Tempel geschlossen war. Das war der Greis mit den lustigen Faltchen nicht mehr, dessen metallische Stimme den gewölbten Raum nun mit einer Musik ohnegleichen füllte. Alexander, der schon zusammenbrach, hörte die Worte.
»Dir, dem Menschensohn, Sprößlinge meiner Lenden, übertrage ich die Königswürde des Ra und des Horus. Dir gebe ich Tapferkeit und Macht über alle Länder und Religionen, Einblick in jedes Geheimnis und deinem Arme Kraft, alle Völker zu schlagen. Ich verheiße dir«, rief die Stimme, die nicht die des Psammon war, denn sie kannte kein Mitleid, »alles Leiden und alle Herrlichkeit dieser Welt –«
Sprangen die ehernen Türflügel auf, oder öffnete sich die Wand? Aber man sah nichts vor Glanz. Ein Leuchten brach ein, das dem Liegenden die Sinne nahm. Es versengte ihm Stirn und Augen. Es beglückte und folterte ihn, bis er hinsank.
So wurde er für Herrlichkeit und Leiden geweiht.
Alexander verließ Ägypten, nachdem er, nahe dem Meere, sieben Stadien entfernt von der Insel, die Homer das Robbeneiland nennt, eine Stadt gegründet und Alexandrien getauft hatte.
V
Er war verändert von dieser libyschen Exkursion zurückgekommen. Die Älteren klagten, vor allem Parmenion: er sei unzugängig, hochmütig wie nie; die Art gar, wie er über seinen Vater, den großen Philipp redete, nannten sie unverzeihlich. Die Jüngeren meinten, in diesen Tagen ginge ein Glanz von ihm aus, wie nicht einmal damals in Troja. »Der Gott hat ihn mit aller seiner Gunst gesegnet«, erzählten sie sich andachtsvoll-gedämpft. »So ist er wahrhaft sein Sohn.«
Vor der Schlacht bei Gaugamela am Flusse Bumodos schlief er so gut und ausführlich, wie er seit seiner Kindheit nicht geschlafen hatte. Da man ihn weckte, hatte er das ausgeschlafene, weiche und bereite Gesicht eines Knaben, der zum größten Abenteuer entschlossen ist, denn er weiß sich von seinem Engel begleitet. Er sandte Botschaft an seine Mutter: »Ich fühle, daß du in diesem Augenblick an mich denkst, Olympias. Ich schlage die große Schlacht!«
Elastisch, wie je, trat er vor seine
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