Alexander
Alexander der sei, dessen Kommen die Heilige Schrift so oft geweissagt und verkündigt hatte; der von Jehova gesandt war, von persischem Joche zu befreien das erwählte Volk. – Dem Alexander, der mit höflichem Ernst lauschte, gefiel diese Rede ausnehmend. Gewohnt, die Gottheit, deren Wesen Geheimnis war, in jeder Form und Maske zu erraten, glaubte er gern auch an diese, die unsichtbar blieb, aber fürchterlich streng und eifersüchtig sein mußte.
Unter exakten Anweisungen des Priesters opferte er dem Geheimnisvollen in seinem Tempel; es war in einer Stadt, die Jerusalem hieß. –
Seit der Issos-Schlacht war ein Jahr vergangen. Endlich war man, nach Ägypten aufzubrechen, bereit.
Es zeigte sich, daß hier kein Kampf nötig war. Das Land ergab sich jedem, der von persischer Tyrannis es befreien wollte. Es lag in majestätischer Starrheit, die nichts mehr dachte als täglich wieder die uralten, frommen und festgesetzten Gedanken. So wartete es des Helden, der mit dem geschwungenen Schwerte kommen würde.
Da er kam, eilte der Satrap Mazakos ihm entgegen, feierlich angetan und in großer Begleitung. Er überließ dem jungen Fremden mit den strahlenden Augen Memphis ohne jedes Hindernis.
Als Alexander im Ptah-Tempel dem Apisstier opferte, weinte und jubilierte das Volk auf den Straßen vor Freude, sie glaubten, ihr Erlöser sei gekommen: der vorige Herr, Artaxerxes Ochos, hatte das gebenedeite Tier mit dem Schwerte durchstoßen, anstatt ihm zu opfern.
»Er ist wiedergekommen!« riefen sie auf den Straßen. »Unser Erlöser ist wiedergekommen!«
Er trat auf die Terrasse, wo ihn alle sehen konnten. »Ich bin wiedergekommen!« rief er und hob die Arme.
Jaddua, der Priester des Unsichtbaren, hatte ihn erkannt, nun erkannte ihn auch das Volk dieser heiligen Stadt.
»Ich bin wiedergekommen!« rief er über das Volk hin; so verkündigte er ihm die frohe Botschaft seiner Gegenwart.
Seine Gegenwart, sein Einzug in Memphis sollte festlich im Gedächtnis bleiben; große Spiele wurden angeordnet, griechische Künstler und Kämpfer waren schon unterwegs. »Es soll einen griechisch-ägyptischen Wettkampf geben!« ließ er verkünden. »Ein riesenhaftes Spiel zur Einweihung des Reiches, das ich gründe.«
Das Volk antwortete ihm: »Er ist wiedergekommen!«
Übrigens blieb Alexander in der königlichen und heiligen Stadt nur wenige Tage. Es war ein entlegenerer und geheimnisvollerer Ort, der ihn anzog.
Über ihre Beziehungen zu dem sehr verborgenen Gotte Amun-Ré, den die Griechen Ammon-Zeus nannten, hatte Olympias oft flüchtige, doch unvergeßliche Andeutungen gemacht. »Grüße die Gottheit Amun von mir!« war eines ihrer Abschiedsworte gewesen; wobei sie, wie Alexander mit Liebe und leichtem Grauen sich erinnerte, ihr hintergründig spöttisches Lächeln und den saugenden Blick von unten gehabt hatte. – »Er weiß alles«, hatte sie noch hinzugefügt.
Alexander rechtfertigte diesen Ausflug, zu dem es ihn geheimnisvoll unwiderstehlich lockte, vor den anderen und vor sich selbst mit Gründen der politischen Schlauheit.
»Unser Reich«, erklärte er den Generalen beim Abschied, »das über die Grenzen griechischer Polis hinauswächst, braucht einen mehr als nationalen Schutzherren. Deshalb suche ich die griechisch-ägyptische Gottheit.«
Denn auch von den Griechen war Amun, der in der Oase hauste, zu allen Zeiten verehrt worden. Glaubwürdigen Berichten nach waren sowohl Perseus als Herakles Gäste seines Heiligtums gewesen, auch vom Delphischen Orakel war mehr als einmal die Weisung gekommen, vor allen anderen Göttern dem Ammon zu gehorchen, ihn zu befragen, ihm zu Willen zu sein.
»Dieser Zug ist sehr in unserem Interesse«, schrieb Alexander an seine Mutter, bevor er aufbrach.
Die Reise durch die Libysche Wüste war lang und beschwerlich, ihnen flog ins durstende Gesicht loser Sand, es fand sich kein Grasplatz zum Ruhen, kein Brunnen, um aus ihm zu trinken, um unter ihr auszuschlafen, keine Palme.
Die klugen Ägypterknaben, die die Führung hatten, unterhielten den König mit allerlei frommen Märchen und Anekdoten, die er von Olympias her teilweise kannte. Er hörte wieder, wie Osiris von seinem mißgestalteten Bruder hereingelegt worden war; die bewanderten jungen Leute rezitierten ihm den ganzen umfangreichen Klagegesang der Isis; schließlich schilderten sie auch recht anschaulich ihre Seligkeiten, da sie ihn wieder hatte.
Sie wußten auch Geschichten, die lustig waren; zum Beispiel, wie Isis, die
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