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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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waren, beinah alle sehr jung, besonders schön vor allen anderen der Jüngling an ihrer Spitze, mit den weiten, strahlenden Augen, der nicht lachte, wenn Blumen ihm ins Gesicht fielen, nur wunderbar um sich schaute. – Neben ihm, der Weichere, Dunklere, mit dem freundlichen Blick, erschien manchen ebenso begehrenswert; er mußte der Liebling des jungen Königs sein, denn er hielt sich eng an seiner Seite.
    Die babylonischen Männer mit den hübsch gekräuselten Bärten schwenkten vor lauter Herzenslustigkeit ihre hohen, bunten Filzhüte und die langen, glatten Spazierstöcke, deren Griffe mit Lilienknospen, fein geschnitzten Vogelköpfchen verziert waren. Sie freuten sich wie die Kinder, weil ein neues Abenteuer ihnen widerfuhr: ein neuer Herr; und er konnte, da er jung war, nicht schlimm sein.
    Vor zwei Jahrhunderten hatte ihre Stadt Kyros erobert; wie vielen Fürsten hatte sie vorher gehorcht. –
    Alexander hielt sich während der ersten Tage nach dem Einzüge nur im Schlosse oder in den Gärten auf, die zu ihm gehörten und deren breite Terrassen blumenüberladen zum Euphrat hinuntergingen. Er saß wie festgezaubert in dem Palaste, auf den alle Straßen dieses Landes zuliefen, der magnetischer Mittelpunkt eines riesenhaften und komplizierten Systems von Poststationen, Stafettenläufern, eilenden Kutschen war. Er diktierte Befehle und empfing Gesandtschaften. Eine Geste, die das Entzücken der Bevölkerung, in seiner näheren Umgebung aber Erstaunen, sogar Entsetzen erregte, war, daß er den Satrapen Mazaios in seiner Stellung beließ: »Ich bin nicht gekommen, um zu kränken oder zu zerstören«, setzte er auseinander. Er fügte herrschsüchtig hinzu: »Ich bin gekommen, zu befreien und froh zu machen.« Wobei er mit geduckter Stirn auf und ab lief.
    Er ließ die größten Architekten der Stadt zu sich bitten und erteilte ihnen den Auftrag, die Heiligtümer babylonischer Gottheiten, die Tempel der Anu, Enlil und Ea, der Schamasch, Ischtar und Sin, die Xerxes hatte zerstören lassen, neu herzurichten; auch den siebenstufigen Bau des Bel-Marduk-Tempels, der, weil vom Stadtgott bewohnt, der allerheiligste war.
    Er empfing die Priesterschaften, begrüßte sie überströmend und bewirtete sie mit Pomp. »Sagt unserem Volke«, schloß er die Rede, die er an sie richtete, »der Dienst seiner Götter solle so frei und prunkvoll wiedererstehen wie zu den Zeiten Nebukadnezars.«
    Geliebt wollte er sein, nichts war wichtiger.
    Während sie schon in allen Straßen und auf den Plätzen seinen Namen riefen und lobpreisten, wagte er es immer noch nicht, den Palast zu verlassen. Ihn hinderte, er verstand nicht, warum, eine Nervosität, die sich oft zu Angstzuständen steigerte.
    Inzwischen schwärmten seine Soldaten, zu kleinen Trupps verteilt, durch die Straßen, deren System zugleich gradlinig-primitiv und kompliziert schien. Neue Ausblicke öffneten sich immer wieder, andere Perspektiven taten sich graurot, ockerbraun auf; am Abend lockten sie in golden-violettem Halbdunkel.
    Die ersten Tage standen die Männer aus den Bergen Mazedoniens, aus den kleinen griechischen Städten nur mit offenen Mündern vor den Sehenswürdigkeiten: den würfelförmigen Monumentalbauten aus Granit, Porphyr, Basalt, aus deren spiegelnder Tiefe das eigene Antlitz ihnen geheimnisvoll verdunkelt entgegentrat; vor den assyrischen Steinbildern, den geflügelten Stieren mit den Männerköpfen, deren starres, boshaftes, undurchsichtiges Ewigkeitslächeln sie mehr ängstigte und verwirrte als früher die krummen Säbel und Sensenwagen bei Gaugamela, Issos und am Granikos.
    Manches sah schon ein bißchen verfallen aus, so die Riesenmauer, zu der sie andächtig gewandert waren; auch der Tempel des Marduk-Bel. »Na«, meinten sie gutmütig, »es wird gut sein, wenn unser König etwas Leben in diesen eingeschlafenen Betrieb bringt.« – Die Hängenden Gärten der Semiramis, von denen sie schon zu Hause gehört hatten, fanden immerhin ihren Beifall.
    Schließlich hatten sie genug von Sehenswürdigkeiten; da merkten sie erst, daß der Stadt in allen ihren Winkeln und Gassen ein süßlich-fauliger Geruch anhaftete. Er strömte aus den Tempeln und Magazinen, aus den Tüchern der Weiber und den frisierten Bärten der Männer; in manchen Gäßchen und Hinterhöfen verdichtete er sich zum üblen, aber faszinierenden Gestank. – Die Soldaten begannen einander in die Rippen zu stoßen und verlegen zu lachen, denn an alle Tore und Mauern angelehnt sahen sie

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