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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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Königsstädte für erledigt gehalten: Asien.
    Er rannte mit geduckter Stirne und schwarzen Augen im Zelt auf und ab, diktierte Befehle. Man kannte diese Haltung, dieses erbitterte Muskelspiel um den Mund. So sah er aus, wenn er die großen Einsätze wagte, wenn er fühlte, daß es ums Ganze ging.
    Hinter ihm der sogdianische Aufstand, von Spitamenes geführt; vor ihm die Skythen, die rebellisch wurden. In den Grenzstädten hatte man seine Besatzungen umgebracht. Von jenseits der Grenze, aus der Steppe, brachen täglich neue Horden ein, die mordeten und stahlen.
    Alexander in seinem Zelt diktierte:
    Kein Mann in Gaza und Kyropolis sollte leben bleiben; in jedes Haus war der Brand zu werfen.
    Seine Befehle wurden mit unerbittlicher Genauigkeit ausgeführt.
    Überall strafend durchzog die mazedonische Armee das Land, stand nach vier Tagen vor Marakanda. Was sie hinter sich ließ, waren brennende Städte und das Wutgeheul der Barbaren. Wenn ich gehaßt werde, dachte mit entschlossenem Trotze der König, dann ganz und gar.
    Er war gewohnt, jeden Zustand bis an seiner Möglichkeit äußerste Grenze kennenzulernen. Wohin er gekommen war, hatte es Frohlocken, Blumen und Jubelgesang gegeben; nun begrüßte ihn Greuel und Verzweiflung. Er hatte Kleinasien Frieden und Befreiung gebracht, er war Liebling und Erlöser gewesen, in Sogdiana hinterließ er Unterdrückung und Jammer.
    Spitamenes war schon entflohen, diesmal zu den Horden der Massageten. Nachdem Marakanda gezüchtigt war, zog die Armee, die dem Lande nichts anderes als eine Heimsuchung schien, zur Winterrast nach Zariaspa, das im Baktrischen lag.
    Ihr Lebensstil war zugleich luxuriöser und freudloser geworden. Die enthusiastische Kameradschaft, die am Granikos sie verbunden, war längst dahin. Zwischen dem König und denen, die seine Freunde gewesen waren, standen die persischen Würdenträger, die dem Monarchen göttliche Ehren gaben, indem sie den Fußboden vor ihm küßten. Mit ihnen wurde Alexander immer intimer.
    Auch unter den mazedonischen Generalen ging es gespannt und mißtrauisch zu, jeder hatte seine Partei. Am dicksten trumpfte Philotas auf, des Parmenion brünetter, selbstgefälliger Sohn. Perdikkas und Krateros glaubten militärisch das meiste Verdienst zu haben, Hephaistion galt immer noch als Liebling und Vertrauter des Königs. Abseits stand Kleitos, mit dem niemand sich auskannte.
    Dazwischen intrigierten die Literaten; diejenigen, wie der großsprecherische Kallisthenes, die hellenische Freiheit im Munde führten und jede Handlung des Königs scharf kritisierten, und die anderen, die Alexander speichelleckerisch glorifizierten. – Die Händler machten ihre kleinen Wuchergeschäfte, auch die Huren, die gewinnsüchtig mitreisten.
    Man lebte, seitdem man orientalischen Komfort kennengelernt hatte, bequem, sogar üppig. Seinen Spleen hatte jeder: der eine trug goldene Nägel an den Schuhen, ein anderer ließ sich den Sand für seine Leibesübungen auf Kamelen nachkommen. Mit Salben und raffinierten Essenzen wurde großer Aufwand getrieben, auch mit ausgefallenen und scharfen Speisen. An die persische Tracht gewöhnte man sich mehr und mehr, manche legten dandyhaften Wert auf ihre langen, taillenengen Kostüme. Schließlich war Kleitos der letzte, der im kurzen, weißledernen Waffenrock ging.
    So verging der Winter zanksüchtig und genüßlich. Eine besondere Rolle im Lagerleben begann ein ebenso zweifelhaftes wie liebliches Geschöpf namens Bagoas zu spielen, das dem Alexander aus Babylon als Leibpage zugesandt worden war. In intimen Gesprächen munkelte man sich zu, daß das fein geschminkte, tänzerisch gewandte Wesen, das seidig schwarzes Haar ins kunstvoll hergerichtete Frätzchen frisiert trug, ein Zwitter sei wie sein dämonischer Namensvetter, einstmals böser Geist des persischen Hofes. Alexander wußte schon, warum er so an ihm hing.
    Die Winterrast dauerte nicht sehr lange, der teuflische Spitamenes machte sich wieder bemerkbar. Er brach mit seinen Massageten in Sogdiana ein; da man sich ihm entgegenstellen wollte, wich er infam ins östlich Unbegrenzte zurück.
    So hatten Alexander und seine Soldaten noch keinen gehaßt; es war, als sei dem Bessos sein abgeschlagener Kopf nur noch häßlicher nachgewachsen. Er war der scheußliche Geist dieser Steppe, Innerasiens irritierender Kobold. Er narrte sie, daß sie von Sinnen kamen. Kaum tauchte er auf, kaum griff man nach ihm, hatte man in der Hand nichts als Leere, er entwich in die Öde

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