Alexander
hinaus, aus der es grauenhaft lachte.
Dies freche Spiel trieb er monatelang. Es waren Marterzeiten für seine Gegner. Er war unbesiegbar, seine Gewandtheit schien übernatürlich, er war die böse Macht selbst.
Die Generale waren zehnmal verzweifelt, aber Alexander kannte kein Nachgeben. Jener war beweglicher, so wollten sie zäher sein.
Endlich waren es die Massageten, die es satt bekamen. Sie fürchteten, eines Tages doch noch von Alexander besiegt zu werden, aber dann schrecklich. Sie überfielen ihren Spitamenes, schnitten ihm den Kopf ab, den sie dem Mazedonenkönig schickten.
Der steckte ihn an die Spitze seines Schwertes; so trat er vor die Armee hin. Er reckte die Siegestrophäe, auf seine Schuhe fielen schwärzliche Blutstropfen.
So stand er vor den schweigenden Reihen, ein plump geduckter, blutbeschmutzter Herold. »Wir haben ihn!« rief er über sie hin; doch nicht siegesfroh strahlend, sondern, bei aller Befriedigung, übermüdet und düster.
III
Je finsterer, gewalttätiger, unberechenbarer der König war, desto deutlicher zeigte sich, daß mehr und mehr der Liebling der Armee Kleitos wurde.
Der junge General, der von allen öffentlichen Beratungen sich möglichst fernhielt, fast nie kommandierte, hatte eine kleine Schar von Anhängern immer gehabt. Diese vergrößerte sich. Da alle anderen Offiziere und Würdenträger immer grausamer und übellauniger wurden, empfand man seine leise und verträumte Lustigkeit dankbar als Wohltat.
Er schien über den Situationen zu stehen. Deshalb verehrte man ihn. Seine Ratschläge, die er nebenbei und wie im Scherz zu geben pflegte, trafen den Nagel stets verblüffend genau auf den Kopf. So nahm man sie nach und nach ernster als die irgendeines anderen.
Dabei schien ihn selber sein politisch-strategisches Talent nicht im mindesten zu interessieren. Er verachtete die Realität, wie als Kind, so noch immer. Heute wie damals waren die Männer der Leistung Gegenstand seiner geschwinden und spöttischen Redensarten. Er mokierte sich über die Wirklichkeit, in der er alles hätte erreichen können. Keinen Sieg nahm er ernst, auch keine Niederlage wäre ihm nahegegangen.
Denn in Regionen spielte sein Geist, wo die dünnere Luft weht, in der Sterbliche nicht gedeihn. Dort, wo er beheimatet war, schien alle Problematik, Tragik und Schwere dieser unserer Welt in lustige und komplizierte Figuren sich aufgelöst zu haben, die tänzerisch-geometrisch sich ineinander verschoben.
Seine Feinde sagten, daß er kindisch sei, er könne nichts ernst nehmen. Sie irrten sich; denn es stand nicht so, daß er die Wirklichkeit nicht bestanden hätte. Sie war ihm nicht der Mühe wert, weil sie plump war. In ihr ließ er einen anderen groß sein, dem er selber, aus Neugierde, Spielsucht und geheimnisvollster Zärtlichkeit, zu dieser Größe verholfen hatte.
Weit mehr als die Kämpfe zwischen Asien und Griechenland fesselten ihn die Abenteuer und Entscheidungen jener Punkte, die seine Phantasie in die Luft zauberte. Er war zu keusch, um an den Kämpfen der Materie teilzunehmen. Wie er seinen Körper von Berührungen fernhielt, so auch seinen Geist, den alles, was Gewicht und Körper war, langweilte.
Da er vollkommen rein war, so auch vollkommen grausam. Mitleid war seinem Herzen ebenso fremd wie Ehrgeiz.
Dem Alexander, auf dessen riesenhaftes Schicksal er als einziger mit Olympias Einfluß gehabt hatte, war er im Laufe der Jahre nicht um einen Schritt näher gekommen.
Dagegen schien in den letzten Monaten zwischen ihm und Hephaistion ein Bündnis subtiler und schwer deutbarer Art im Entstehen. Nach so langen Jahren eines standhaft innigen, verzichtenden und aussichtslosen Werbens um Alexander, der immer unnahbarer, immer unbegreiflicher inmitten seiner Einsamkeit sich befand, begann in Hephaistion etwas nachzulassen; eine schon zu lange erprobte Bereitschaft, eine Treue, die sich sinnlos werden fühlte, weil der, dem sie galt, sie nicht anerkannte, über sie wegsah, ihr Vorhandensein nicht bemerkte.
Über Alexander sprach Kleitos mit Hephaistion nie, dieses Thema zu berühren vermied sein höchst empfindliches Gefühl; er erzählte nur Märchen, promenierten sie miteinander. Um so dankbarer hing Hephaistion an ihm, er empfand mit glücklichem Staunen, daß der unnahbare Kleitos für ihn, nur für ihn menschlichere und weichere Töne hatte. »Es ist Mitleid«, sagte er sich; es machte ihn trotzdem stolz.
Abends versammelte Kleitos bei einem Brunnen oder einer Säule Freunde um
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