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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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sich, unter denen stets Hephaistion war. Kleitos kauerte und fabulierte, wobei er manchmal leis lachte und planlose kleine Handbewegungen hatte. Sein Gesicht war kindlich wie je, in den weichen Backen saß Schalkhaftigkeit, auf der hellen Stirne heiterer, doch strenger Ernst. Wenn er sich im Reden unterbrach, geschah es, um mit einem schillernd grauen und verlockenden Blick über die Runde zu schauen.
    »Niemand hüpft schneller als mein Drachenschwein«, fuhr er in seinem Lügenmärchen fort, das kindlichkompliziert ersonnen war. »Läßt man es in Frieden, ist es ja so weit ganz possierlich. Reizt man es aber, hu, hu –«
    Unter der Verzauberung seiner rätselhaften, hellen und leisen Worte atmete alles gedämpfter. –
    Indessen grölte Alexander mit den Kumpanen an einer besudelten Tafel.
    Nach einem großen Festmahl, das der König seinen Offizieren gegeben hatte, wurde Kleitos aufgefordert, eine seiner verwunschenen Geschichten zu erzählen; vor allem Hephaistion war es, der in ihn drang. »Wir möchten es alle!« rief er warm; und plötzlich, etwas verwirrt, zu Alexander: »Er erzählt nämlich so hübsch. Er weiß immer lauter Geschichten, die niemand weiß; die verwebt er dann wieder mit anderen Geschichten –« Kleitos lächelte unerklärlich.
    Alexander, im persischen Prunkkleid an der Spitze der Tafel, winkte kurz, ohne einen von den beiden anzusehen: »Er soll erzählen. – Aber was Hübsches«, fügte er mit einem drohenden Lachen hinzu.
    »Wahrscheinlich kennt ihr das Märchen schon, an das ich in letzter Zeit soviel denke«, sagte Kleitos, ohne auf Alexander zu achten, mit einer spöttischen Versonnenheit, die beunruhigend war. »Es wird euch trotzdem gefallen –
    Paßt auf: Ihr seid in Uruk, der großen und glänzenden Stadt, ihr mächtiger Fürst nennt sich Gilgamesch, er ist zu zwei Dritteln Gott, zu einem Drittel aber nur Mensch. Das muß unangenehm sein –« Er lachte, grausam belustigt beim Gedanken an die Leiden des Halbgottes; dem Alexander schien es, er sähe ihn an, während er lachte.
    »Er war sehr ehrgeizig, angeblich für Uruk, in Wirklichkeit aber für sich. Uruks Pracht soll strahlen in allen Städten, proklamierte er schallend. Eigentlich aber wollte nur er strahlend sein.
    Die Menschen, die er zu grausam ausnutzte und verwendete, damit sein eigener Ruhm wachse, wandten sich in ihrer Not und Hilflosigkeit an den Himmelsgott Anu. Dieser wieder setzte sich mit Aruru in Verbindung, die des Formens kundig war. Sie beschloß, einen Gesellen zu schaffen, Enkidu mit Namen, der ebenso stark sein sollte wie der übermütige Gilgamesch, damit Uruks König einen Gegner habe und sein Übermut abnehme, der Göttern zum Ärgernis und Menschen zur Beängstigung wurde.«
    Kleitos lächelte und schwieg. Er sah auf seine bräunlich zarten, aber festen Hände, die unruhig waren. »Es geht wunderbar weiter«, sagte er lächelnd. »Um Enkidus Kraft und Unschuld zu lähmen – denn er spielte, wunderbar anzusehen, mit den starken Tieren der Wildnis –, schickte Gilgamesch in seiner übergroßen Schlauheit ihm ein Weib, und zwar ein ausgezeichnet geübtes, ein der Ischtar geweihtes. Die brach in einem Liebesspiel, das sechsmal vierundzwanzig Stunden währte, seine Kräfte. Enkidu, von ihr verlockt, eingeweiht und verdorben, folgte ihr, plötzlich unruhig und wissensdurstig geworden, nach Uruk, der weithin glitzernden Hauptstadt. Gilgamesch, der darauf nur gewartet hatte, besiegte den Geschwächten im Zweikampf leicht, wobei er ihn aber schon liebevoll preßte, wie man ein Weib preßt.«
    Kleitos schloß eine Sekunde die Augen, mit ihm Alexander. Beide lauschten, eine Sekunde lang, in ihr Inneres, vielleicht auch in das Innere des andern hinüber. Denn sie wußten, nun kam die Geschichte einer großen Freundschaft, die ihre hätte sein können, die ihnen aber nicht zuteil geworden war. – Mit um so heller aufgeschlagenem Blick fuhr der Märchenerzähler fort.
    »Die Freundschaft zwischen den beiden wuchs riesenhaft. Gilgamesch machte den Jüngling, den er hatte töten wollen, zum Ersten in seinem Reiche; Enkidu duldete es, wie ein prachtvolles Tier, das man feiert und putzt. Sie liebten sich mit aller Kraft ihrer starken und göttlichen Seelen.«
    Kleitos lachte, dabei ließ er den schillernd grauen Blick über die Runde gehen, schließlich hielt er bei Alexander: »Ich finde das reizend, wie die alte Göttin Aruru sich verrechnet hat. Sie wollte dem Gilgamesch einen abscheulichen Gegner

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