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Alfons die Weihnachtsgans

Alfons die Weihnachtsgans

Titel: Alfons die Weihnachtsgans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Koester-Loesche
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Hotel und habe Nebelbilder geschossen. Es war richtig gespenstisch«, sagte Meier und erwärmte sich zusehends an seiner Erzählung. »Gelegentlich Möwenschreie, die habe ich auch aufgenommen. Daraus kann man was machen.«
    »Fein«, sagte Oma herzlich und goss ihm einen zweiten Köhm ein.
    »Es ist nämlich mein allererster Auftrag überhaupt«, bekannte Meier, als er beim dritten angekommen war. »Ichhabe einen Vertrag für eine Reportage bekommen, und wenn sie gut ist, übernehmen sie mich vielleicht. Es ist heutzutage schwierig, bei Redaktionen angestellt zu werden.«
    Oma wandte sich um, mit einem Kochlöffel in der Hand, von dem Soße herunterkleckerte. »Jetzt verstehe ich, dass Sie nicht ins Krankenhaus wollten! Sie müssen schreiben! Warum aber versuchten Sie anschließend abzureisen?«, fragte sie entsetzt. »Ohne Ihren Auftrag erfüllt zu haben!«
    »Es schien so aussichtslos«, murmelte Meier scheu.
    »Aussichtslos? Das gibt es auf der Hallig gar nicht! Sehen Sie sich mal um!«
    Der junge Journalist lachte leise. Tore musterte ihn mit frischem Interesse. Der war also Berufsanfänger. Stand unter Erfolgszwang. Deswegen hatte ihn wohl die Panik auf dem Watt voll erwischt.
    »Ich verstehe, was Sie meinen, Oma Käte. Mehr Aussicht als hier kann man gar nicht bekommen.«
    »Eben. Und mehr erleben als Sie bei der Herfahrt, kann man auch nicht. Ich denke, Sie sollten genug zu erzählen haben, Martin.«
    »Eigentlich ja. Aber ich wollte auch nicht, dass die Leser glauben, hier würden immer Loren verunglücken. Schlecht fürs Image ...«
    Das wiederum war ein netter Zug von ihm, fand Tore. Solche Rücksichtsnahme hatte er ihm gar nicht zugetraut.
    »Um ehrlich zu sein, hatte ich mordsmäßig Schiss während der Fahrt, Oma Käte«, fuhr Meier leise fort. »So viel Nebel. Nichts zu sehen. Kein Mensch und keine Siedlung in der Nähe. Nur Eis und tote Tiere auf den Schienen und im Watt. Und das Wasser, das auflief. Ihr Mann sprach davon, als würden wir demnächst bis zum Hals darin sitzen ...«
    »Sie Ärmster«, sagte Käte mitfühlend. »Fedder ist manchmal etwas raubeinig.«
    »Und dann hatte ich auf der Lore immer Tore vor mir. Der hatte überhaupt keine Angst. Kraulte eine Gans. Lange Zeit dachte ich, der ist einfach zu jung und zu blöd, um eine gefährliche Situation richtig einzuschätzen. Deswegen bin ich abgehauen, als wir im Matsch lagen. Irgendwo würde ich schon an Land kommen und jemanden alarmieren können. Aber ich geriet immer tiefer ins Wasser. Und dann ...«
    »Und dann?«, fragte Käte bestürzt.
    »Dann kam Tore, um mich zurückzuholen, trotz des auflaufenden Wassers. Das gibt es doch gar nicht, dachte ich. Ein kleiner Junge, der von Puken und Gänsen wie im Märchen schwärmt – im Watt hat er noch in aller Seelenruhe nach dem Puken der toten Wildgans gesucht –, aber er weiß, wo Ost und West ist, kennt die Gezeiten und rettet dich vor dem Ertrinken.«
    »Na, und? So jung, dass ich keinen Fußspuren folgen könnte, bin ich nun wieder auch nicht!«
    »Ganz bestimmt nicht. Aber ich habe mich wie ein Feigling benommen, wie der Oberidiot schlechthin«, bekannte Martin Meier, »und deshalb wollte ich die Hallig von mir befreien.«
    »Das ist vorbei«, sagte Oma Käte entschlossen. »Sie sind beruflich hier, haben einen Vertrag zu erfüllen, und genau das werden Sie auch tun! Wer die Hallig auf diese mühselige und gefährliche Art erreicht, kann das Leben der Menschen hier ohnehin ganz anders würdigen. Einfach ist es nicht. Und Sie sollten Ihr Erlebnis im Zusammenhang mit Ihrem Bericht zu schätzen wissen ...«
    Martin nickte. Tore auch. Er fand Martin längst nichtmehr so unsympathisch wie zu Anfang. Im Gegenteil eigentlich.
    Am zweiten Weihnachtstag sollten die Gäste, die in Oma Kätes Ferienwohnung wohnten, abreisen. Oma würde sie zur Fähre fahren.
    Kurz vor der Abreise kam die Hausfrau in Omas Küche und stellte zwei Gläser Honig und eine Packung Eier auf den Tisch.
    Tore war sofort zur Stelle, um sie zu inspizieren. Kein Label! Die waren nicht beim Kaufmann auf Langeness gekauft worden.
    »Wir möchten Ihnen beides als Dank hierlassen«, sagte die Dame. »Wir haben uns hier unendlich wohl gefühlt. Honig und Eier sind Spitzenqualität, beide aus biologischer Erzeugung, dafür garantiere ich.«
    Tore triumphierte. Die Puken hatten unsichtbar im Stall gestanden und die Segenswünsche zusammen mit den Stallbewohnern entgegengenommen, die Grütze genossen und sich artig für alles bedankt.

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