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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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der Geschichte gut auszukennen.«
    »Das weiß doch jeder. Hat seine zwei kleinen Neffen abgemurkst. Die armen Kerlchen. Ersticken hat er sie lassen.«
    »Ersticken?« sagte Grant interessiert. »Das wußte ich nicht.«
    »Mit Kissen hat man sie erstickt.« Sie hieb mit ihrer zerbrechlich kleinen, aber kraftvollen Faust in Grants Kissen und schüttelte sie dann rasch und geschickt wieder auf.
    »Weshalb erstickt? Weshalb nicht vergiftet?« erkundigte sich Grant.
    »Wie soll ich das wissen? War ja nicht meine Idee.«
    »Wer behauptet denn, daß sie erstickt wurden?«
    »Das Geschichtsbuch, das wir in der Schule hatten.«
    »So. Aber auf wen beruft sich denn dieses Geschichtsbuch?«
    »Auf wen es sich beruft? Auf niemanden. Es berichtet die Tatsachen.«
    »Stand auch drin, wer sie erstickt hat?«
    »Ein Mann namens Tyrrel. Hatten Sie in Ihrer Schule denn keine Geschichte?«
    »Wir hatten Geschichtsunterricht. Das ist nicht das gleiche. Wer war Tyrrel?«
    »Keine Ahnung. Ein Freund von Richard.«
    »Woher weiß man denn, daß es Tyrrel war?«
    »Er hat gestanden.«
    »Gestanden?«
    »Natürlich erst, nachdem man ihn verurteilt hatte. Kurz bevor man ihn aufknüpfte.«
    »Wollen Sie behaupten, daß dieser Tyrrel tatsächlich für den Mord an den beiden Prinzen baumeln mußte?«
    »Ja, natürlich. Soll ich nicht dieses gräßliche Gesicht verschwinden lassen und Ihnen was Lustigeres hinstellen? Unter den vielen Bildern, die Miss Hallard Ihnen gestern brachte, waren eine ganze Menge netter Gesichter.«
    »Nette Gesichter interessieren mich nicht. Mich interessieren nur gräßliche. ›Bestialische Mörder‹, mit ›großen Fähigkeiten‹.«
    »Na, die Geschmäcker sind verschieden«, gab die Zwergin erwartungsgemäß zurück. »Ich muß es ja gottlob nicht ansehen. Aber wenn Sie meine bescheidene Meinung wissen wollen, dann kann ich nur sagen, daß vor einem solchen Bild sogar den Knochen das Zusammenwachsen vergeht.«
    »Na schön, wenn mein Bein nicht heilt, können Sie das ruhig auf das Schuldkonto von Richard III. schreiben. Bei dem Konto kommt es ja nicht mehr darauf an.«
    Er wollte Marta bei ihrem nächsten Besuch fragen, ob sie auch diese Geschichte von Tyrrel kannte. Ihr Allgemeinwissen war nicht gerade überwältigend, aber sie hatte eine sehr teure Schule besucht, und vielleicht war irgendwas von dieser kostspieligen Erziehung hängengeblieben.
    Doch der nächste Besucher aus der Außenwelt war Sergeant Williams. Dick, rosig und frisch geschrubbt. Für eine Weile vergaß Grant die Vergangenheit und ihre Schlachten und kehrte in die Gegenwart zurück und zu den kessen Jungen, die sie unsicher machen. Williams pflanzte sich auf dem kleinen, harten Besucherstuhl auf, die Oberschenkel gespreizt, die hellblauen Augen wie eine behaglich schnurrende Katze blinzelnd auf das Fenster gerichtet. Grant betrachtete ihn liebevoll. Es war hübsch, wieder Berufsklatsch zu hören, über Kollegen zu lästern und zu erfahren, wer gerade Liebkind war und wer nicht.
    »Schöne Grüße vom Chef«, sagte Williams, als er aufstand, um sich zu verabschieden. »Und Sie sollen es ihn wissen lassen, wenn er etwas für Sie tun kann.« Nun nicht mehr vom Licht geblendet, bemerkte er die Fotografie, die an den Büchern lehnte. Er beugte sich darüber. »Was ist denn das für ein Kerl?«
    Grant hatte die Antwort schon auf der Zunge, als ihm einfiel, daß ihm ja ein Kollege gegenüberstand, ein Mann, der, wie er, von Berufs wegen mit Gesichtern zu tun hatte. Jemand, für den Gesichter zum täglichen Brot gehörten.
    »Porträt eines Mannes von einem unbekannten Maler des 15. Jahrhunderts«, sagte er. »Was halten Sie davon?«
    »Ich verstehe überhaupt nichts von Malerei.«
    »Das meine ich auch nicht. Ich möchte wissen, was Sie von dem Mann halten?«
    »Oh. Ach so.« Williams beugte sich noch weiter vor und runzelte angesichts des Bildes die Brauen. »Was wollen Sie über ihn wissen?«
    »Nun, wie würden Sie ihn einordnen? Würden Sie ihn auf die Anklage- oder auf die Richterbank setzen?«
    Williams überlegte einen Augenblick lang und sagte dann im Brustton der Überzeugung: »Auf die Richterbank.«
    »Sind Sie sich ganz sicher?«
    »Und ob. Wieso? Sie nicht?«
    »Doch. Aber das Komische ist, daß wir beide unrecht haben. Er gehört auf die Anklagebank.«
    »Das überrascht mich aber«, sagte Williams und sah das Bild noch einmal forschend an. »Sie wissen also, wer es ist?«
    »Ja. Richard III.«
    Williams stieß einen Pfiff aus.
    »Der

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