Alibi für einen König
dem vor der Regierung eines minderjährigen Königs graute, erkannte ihn an, und er machte sich auf eine große Rundreise durch den Süden, wo er herzlich empfangen wurde. Während dieser Reise verschwanden jedoch die beiden kleinen Prinzen, die im Tower lebten, und man glaubte, sie wären ermordet worden. Es kam zu einer Volkserhebung, die Richard mit äußerster Grausamkeit niederschlug. Um wenigstens etwas von seiner verlorengegangenen Popularität wiederzugewinnen, berief Richard das Parlament ein, welches nützliche Gesetze gegen Benevolenzen verabschiedete.
Es folgte aber eine zweite Volkserhebung, welche die Form einer Invasion annahm, an deren Spitze der Chef der Lancaster-Linie, Heinrich Tudor stand, und bei der französische Truppen mitwirkten. In Bosworth bei Leicester trafen Heinrich und Richard aufeinander, und durch den Verrat der Stanleys errang Heinrich den Sieg. Richard fiel nach mannhaftem Kampf in dieser Schlacht. Er hatte seinen Namen kaum weniger mit Schande befleckt als Johann.«
Was zum Kuckuck waren Benevolenzen?
Und was sagten die Engländer dazu, als die Thronfolge mit Hilfe französischer Truppen für sie entschieden wurde?
Frankreich war allerdings in den Tagen der Rosen immer noch eine Art Anhängsel von England, jedem Engländer viel vertrauter als Irland. Im 15. Jahrhundert war es für einen Engländer eine Selbstverständlichkeit, nach Frankreich zu reisen, nach Irland begab er sich nur höchst widerwillig.
Grant lag da und dachte über jenes England nach, um dessentwillen die Kriege der Rosen geführt worden waren. Ein grünes, grünes England, in dem es von Cumberland bis Cornwall nicht einen Fabrikschornstein gab. Ein England ohne Hecken, dessen riesige Wälder von Wild wimmelten und in dessen weiten Marschen die Wildhühner schier überhand nahmen. Ein England, in dem die ewig gleiche Gruppe von Behausungen sich alle paar Meilen in endloser Einförmigkeit wiederholte: Schloß, Kirche, Hütten; Kloster, Kirche, Hütten; Herrenhaus, Kirche, Hütten. Streifen bebauten Landes um die Häuflein von Behausungen, und dann wieder das Grün. Das ungebrochene Grün. Die ausgefahrenen Feldwege, die von einer Wohnsiedlung zur anderen verliefen, im Winter verschlammt, im Sommer weiß vom Staub, je nach der Jahreszeit im Schmuck der wilden Rosen oder der roten Hagebutten.
Dreißig Jahre lang hatten die Kriege der Rosen um dieses grüne, weite Land gewährt. Aber es war mehr eine Blutfehde als ein Krieg gewesen. Eine Montague-und-Capulet-Affäre, die den Durchschnittsengländer nicht weiter berührte. Niemand schlug einem die Tür ein, um zu erfahren, ob man für York oder Lancaster sei, und einen ins Konzentrationslager zu sperren, wenn die Antwort nicht die erwünschte war. Es war ein kleiner, örtlich begrenzter Krieg, fast schon eine Privatangelegenheit. Man kämpfte auf der Wiese irgendeines Bauern, benutzte dessen Küche, um die Verwundeten zu verbinden, und zog dann weiter, irgendwohin, um wieder eine Schlacht auszutragen. Und ein paar Wochen später erfuhr man den Ausgang dieser Schlacht, und im trauten Familienkreis kriegten die Leute sich in die Haare, weil vielleicht der Familienvater für Lancaster und sein Eheweib für York war, so wie man eben bei einem Ausscheidungsspiel Partei für eine bestimmte Fußballmannschaft nimmt.
Grant dachte über jenes grüne England nach, bis er schließlich einschlief.
Was die beiden kleinen Prinzen und ihr Schicksal anbetraf, so war er keinen Deut schlauer geworden als zuvor.
III
K önnen Sie nicht einen erfreulicheren Blickfang finden als das da?« fragte die Zwergin am nächsten Morgen und deutete auf Richards Porträt, das Grant gegen den Bücherstapel auf seinem Nachttisch gelehnt hatte.
»Macht Ihnen das Gesicht gar keinen Eindruck?«
»Eindruck? Mich schüttelt es, wenn ich nur hinsehe. Erinnert mich an das ›Phantom‹.«
»Wenn man den Geschichtsbüchern glauben darf, war er ein Mann von großen Fähigkeiten.«
»Das war Blaubart auch.«
»Und offenbar auch äußerst populär.«
»Blaubart auch.«
»Überdies ein hervorragender Soldat«, sagte Grant boshaft. Und nach einer kleinen Pause: »Da kommt Blaubart wohl nicht mehr mit?«
»Warum müssen Sie denn immer dieses Gesicht anstarren? Wer ist das überhaupt?«
»Richard III.«
»Jetzt ist mir alles klar!«
»Heißt das, daß Sie ihn sich genauso vorgestellt haben?«
»Ja, genauso.«
»Und weshalb?«
»Ein bestialischer Mörder. War er doch?«
»Sie scheinen sich in
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