Alibi für einen König
ist das also! Na! Die Prinzen im Tower und so weiter. Das Urbild des bösen Onkels. Na ja, wenn man’s weiß, kann man es wahrscheinlich auch erkennen. Aber so ohne weiteres käme ich nicht auf den Gedanken. War doch wohl ein richtiger Gangster. Wenn ich es mir recht überlege, sieht er haargenau wie der alte Halsbury aus. Und wenn Halsbury überhaupt einen Fehler hat, dann den, daß er mit den Gaunern auf der Anklagebank zu milde verfährt. Der bringt sich ja beinah um, damit er für sie bei der Rechtsbelehrung für die Geschworenen Vorteile herausschindet.«
»Wissen Sie, auf welche Weise die Prinzen ermordet wurden?«
»Ich weiß von Richard III. nur, daß seine Mutter zwei Jahre lang mit ihm schwanger ging.«
»Was! Wo haben Sie denn das her?«
»Wahrscheinlich aus der Geschichtsstunde.«
»Sie müssen aber in eine sehr ungewöhnliche Schule gegangen sein. In meinen Geschichtsbüchern stand nie etwas von Schwangerschaften. Deshalb waren ja Shakespeare und die Bibel eine so angenehme Bereicherung des Unterrichts. Da wurde ganz offen von den Geheimnissen des Lebens gesprochen. Haben Sie jemals was von einem Mann namens Tyrrel gehört?«
»Klar. Der Zinker, der immer mit der P & O-Linie fuhr. Ist mit der ›Ägypten‹ untergegangen.«
»Nein, ich meine in der Geschichtsstunde.«
»Ich muß Sie enttäuschen. Von Geschichte weiß ich nur, was 1066 und 1603 passiert ist.«
»Was war denn 1603 los?« fragte Grant, dessen Gedanken immer noch bei Tyrrel waren.
»Da haben wir die Schotten endgültig geschluckt.«
»Besser, als wenn wir sie alle paar Minuten auf dem Hals hätten. Tyrrel soll nämlich der Mann sein, der die beiden Prinzen aus dem Weg geräumt hat.«
»Die Neffen? Nee. Da kann ich mich nicht erinnern. So jetzt muß ich aber gehen. Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
»Sagten Sie nicht, daß Sie in die Charing Cross Road müssen?«
»Ja, zur Phönix.«
»Könnten Sie mir einen Gefallen tun?«
»Und der wäre?«
»Gehen Sie doch bitte in eine der Buchhandlungen und besorgen Sie mir eine Englische Geschichte. Eine für Erwachsene. Und, wenn möglich, eine Biographie von Richard III.«
»Aber gern.«
Unter der Tür stieß er mit der Amazone zusammen. Er machte ein höchst verdutztes Gesicht. Das war ja fast ein weiblicher Doppelgänger, und dazu noch in Schwesterntracht. Er murmelte einen etwas betretenen Gruß, warf Grant einen fragenden Blick zu und verschwand im Korridor.
Die Amazone sagte, sie müsse jetzt Nummer vier baden, wolle sich aber vorher noch vergewissern, ob er nun überzeugt sei.
»Überzeugt?«
»Vom edlen Charakter von Richard Löwenherz.«
»Ich bin noch nicht zu Richard I. gekommen. Aber lassen Sie doch Nummer vier noch einen Augenblick warten und sagen Sie mir, was Sie über Richard III. wissen.«
»Ach, die armen süßen Schätze!« sagte sie, und ihre großen Kuhaugen schwammen in Mitleid.
»Wer?«
»Diese goldigen kleinen Jungen. Das war ja mein Alptraum als Mädelchen. Daß jemand kommen und ein Kissen auf mein Gesicht drücken könnte, während ich schlief.«
»Hat man sie denn auf diese Weise umgebracht?«
»Ja. Wußten Sie das nicht? Sir James Tyrrel ritt nach London, als der Hof in Warwick war, und gab Dighton und Forrest den Befehl, sie umzubringen. Und dann hat man sie unter einem großen Steinhaufen am Fuß irgendeiner Treppe begraben.«
»Aber in dem Buch, das Sie mir geliehen haben, steht das nicht.«
»Ach, das ist doch nur zur Vorbereitung auf die Prüfungen. Sie wissen schon, was ich meine. In den Büchern zum Büffeln stehen die interessanten Sachen nie drin.«
»Und darf ich fragen, woher Sie diesen aufregenden Klatsch über Tyrrel bezogen haben?«
»Das ist kein Klatsch«, sagte sie gekränkt. »Das können Sie auch in Sir Thomas Mores Geschichte seiner Zeit finden. Und eine angesehenere und vertrauenswürdigere Persönlichkeit als Sir Thomas More gibt es ja wohl in der ganzen Geschichte nicht. Oder?«
»Nein. Es wäre sehr ungezogen, Sir Thomas zu widersprechen.«
»Sir Thomas hat es gesagt, und schließlich hat er damals gelebt und all diese Menschen persönlich gekannt.«
»Dighton und Forrest?«
»Nein, die natürlich nicht. Aber Richard und die arme Königin und all die anderen.«
»Die Königin? Richards Gemahlin?«
»Ja.«
»Weshalb ›arm‹?«
»Die hat doch die Hölle gehabt. Er soll sie vergiftet haben. Er wollte nämlich seine Nichte heiraten.«
»Weshalb?«
»Weil sie die Thronerbin war.«
»Ach so. Erst hat er
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