Alice@Hollywood
hätte ich nicht plötzlich das übermächtige Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen. Ich fange an, von einem auf das andere Bein hin und her zu tippeln. Der Bulle wird nervös. Er trägt zwar mitten in der Nacht eine verspiegelte Sonnenbrille, doch mein zappeliges Verhalten entgeht ihm nicht. Er deutet meine Bewegungen als Fluchtversuch. Insgeheim formuliert er sicher schon den Satz »auf der Flucht erschossen« für seinen Bericht. Ich überlege, wie sich die ganze Angelegenheit sachlich und ohne unnötige Hektik aufklären lässt. Doch Nina reißt der Geduldsfaden.
»Ruuuutthhh! Du blöde Kuh! Tu doch waaaassss !« , kreischt sie. Ich glaube zu hören, wie einer der Sheriffs seine Wumme entsichert. Endlich erwacht Ruth aus einer Art Winterstarre, in der sie mitten auf der Straße verharrt war.
»This are my friends !« , haucht sie leise.
Jetzt nimmt der Bulle auch noch Ruth ins Visier. Endlich begreift sie den Ernst der Lage und schreit, dass ihre Lungenflügel Hiphop tanzen: »Give peace a chance !!!«
Die Cops fangen langsam an zu lachen. Von durchgeknallten Gänsen geht offensichtlich keine Gefahr aus. Wir klären das Missverständnis auf. Die Typen stecken ihre Waffen wieder ein, noch bevor ich mir in die Hose mache. Einer der beiden eskortiert mich sogar zu ein paar Büschen in den Central Park, damit ich dort, sozusagen unter Polizeischutz, für kleine Straßenräuber kann. Wie peinlich. Strawberry Fields forever!
Mit dem Tipp, uns schleunigst ein Taxi zu suchen und in ein Hotel zu fahren, wenn wir nicht morgen früh in der Leichenschauhalle aufwachen wollen, überlassen die beiden Cops uns unserem Schicksal'.
Schweigend trotten wir nebeneinander eine hell erleuchtete Straße hinunter, die Columbus Avenue. Keine von uns hat die Nerven, die Vorfälle der letzten halben Stunde auszudiskutieren. Wir sind uns lediglich einig, den Rat der Uniformierten anzunehmen, und halten nach einem Taxi Ausschau. In Filmen sieht es immer verdammt leicht aus, in New York eines von diesen gelben Autos zu stoppen. Ein fast unauffälliges Handzeichen vom Straßenrand aus, und schon brausen ein gutes Dutzend von Cabs aus allen Himmelsrichtungen auf einen zu. Nur nicht nachts um zwei. Da scheinen alle Wagen in ihren Taxi-Nestchen zu liegen und vom Ölwechsel zu träumen. Bis auf eines. Es kraucht in einigen hundert Metern Entfernung auf uns zu und scheint tatsächlich frei zu sein. Ich mache einen Schritt auf die Straße. Energisch fährt meine Hand in die Höhe.
»Taxi, Taxi !« , schmettert es laut aus meiner Kehle.
Ich bin erstaunt, wie souverän ich mich in dieser desolaten Situation noch verhalten kann. Der Wagen kreuzt die Überholspur und hält mit quietschenden Reifen direkt vor unseren Füßen. Ich werfe den Mädels einen »Na, wie habe ich das gemacht«-Blick zu und sehe, wie in dem Wohnblock hinter uns die Haustür geöffnet wird. Der Taxifahrer, der auf dem Fahrersitz festgewachsen ist, bedeutet uns mit einem Kopfnicken, unser Gepäck selbst in den Kofferraum zu wuchten.
Ich mache einen Schritt zur Seite, um zum hinteren Teil des Wagens zu gelangen, da vernehmen wir eine vertraute Stimme.
»Ich würde an eurer Stelle nicht Taxi fahren. Die Fahrer rasen hier ganz schön. Da kann man schon leicht mal kotzen !«
Tracy, die Stewardess, steigt grinsend in den Fond. Sie gibt dem Fahrer einen großen Geldschein. Der reagiert entsprechend, nimmt keine Rücksicht mehr auf uns und braust mit unserer Flugbegleiterin an Bord davon. Das Letzte, was wir von Tracy sehen, ist ihr gestreckter Mittelfinger, der noch von weitem aus dem Fenster leuchtet wie der Finger von E. T. beim Telefonieren nach Hause.
Tracy kann eben Beruf und Privatleben strikt voneinander trennen.
Das nächste Taxi kommt schon eine halbe Stunde Fußmarsch später. Aber diesmal haben wir Glück und finden uns zusammengepfercht auf dem Rücksitz wieder. Richtung »irgendein preiswertes Hotel« in Soho.
»Essen !« , ist das erste Wort, das Ruth seit der Polizeiaktion am Dakota-Haus von sich gibt. Nina beruhigt sie. Wir hätten alle Hunger, aber wenn wir im Hotel sind, könnten wir uns ja was aufs Zimmer kommen lassen.
»Hans Joachim Essen!« Ruth spuckt die drei Worte aus wie Pingpongbälle.
Allmählich dämmert mir, was sie meint. Hajo Essen heißt der Typ, für den Jenny das Apartment hütet.
»Hans Joachim Essen - sieben, sieben, sieben ... nicht vergessen !« , blubbern Nina und Ruth gleichzeitig los. Diesen blöden Spruch hat der Typ Jenny
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