Alice@Hollywood
nickt heftig. Genau so heiße das Gebäude, erinnert sie sich jetzt hundertprozentig. Da irgendwo wohne dann auch Jenny. Die Limousine schleicht sich am Central Park West hoch bis zur zweiundsiebzigsten Straße und hält vor einem mehrstöckigen Haus mit Erkern, Türmchen und großem Toreingang. Das alte, düstere Gebäude passt so gar nicht zu den aalglatten Wohnblöcken, die daran angrenzen. Ein idealer Ort, um das Kind des Satans großzuziehen. Wir steigen aus. Ruth ist optimistisch.
»Hier muss es irgendwo sein. Das werden wir dann schon finden !«
Als die Limousine kurz darauf in der nächsten Seitenstraße verschwindet, ist es ein Uhr früh und Nina um 140 Dollar plus Trinkgeld ärmer. Entsprechend hat die Fahrt knappe zwei Dollar pro Minute gekostet. Umgerechnet etwa ein Euro für sechzig Sekunden.
»Jetzt verstehe ich, warum Markus immer so gebeutelt aussieht, wenn er aus der Peepshow kommt«, stellt Nina sachlich fest.
Ich verkneife mir die Bemerkung, dass ihr Göttergatte wahrscheinlich jetzt, wo sein Frauchen ein paar Tausend Kilometer von zu Hause entfernt ist, sein Geld nicht nur fürs Zugucken ausgibt.
Wir schauen uns um. Die Straße ist menschenleer. Der tiefschwarze Schatten im Eingangsbereich des Dakota-Hauses verspricht jedem Promikiller eine gute Deckung. Irgendwie beschleicht mich ein mulmiges Gefühl. So viel versprechend Ruths Eingebung zunächst auch klang, jetzt müssen wir feststellen, dass man von mindestens fünfhundert Apartments aus das John-Lennon-Building sehen kann.
»Ja, dann müssen wir halt irgendwo klingeln und nach Jenny fragen !« , versucht Ruth ihren Optimismus zu bewahren.
»Und wen willst du fragen? Yoko Ono ?« , gebe ich zurück. »Hey, Yoko. Blöd von dir, dass du damals die Beatles auseinander gebracht hast. Aber sag mal, kennst du zufällig Jenny? Die hütet hier seit ein paar Wochen ein Apartment und vögelt mit jedem gut aussehenden Typen zwischen zwanzig und fünfzig ?«
»Wir kennen immerhin Jennys Haarfarbe und wissen von dem Muttermal. Das hilft uns vielleicht weiter«, sagt Ruth.
Natürlich tut es das nicht. Um kurz vor zwei haben wir zwar diverse New Yorker aus dem Schlaf geklingelt und von einem Rentner ohne Unterhose das Angebot bekommen, bei ihm zu übernachten, aber Jenny und ihr Apartment nicht gefunden. Immerhin sind wir nicht überfallen worden. Wahrscheinlich denkt jeder mutmaßliche Straßenräuber bei unserem Anblick, wir seien allesamt aus der geschlossenen Abteilung ausgebrochen, und zieht es vor, selbst das Weite zu suchen. Nachdenklich gehe ich auf der Bordsteinkante auf und ab. Dunkel und träge liegt der schlafende Central Park vor mir. Über die Baumwipfel hinweg blitzen von der anderen Seite her ein paar Lichter. Apartmenthäuser auf der Ostseite des Parks. Wenn man die Häuser von hier aus sehen kann, dann kann man von dort aus auch das Dakota-Haus erkennen, schießt es mir durch den Kopf.
»Hat Jenny zufällig gesagt, man kann das Lennon-Haus auf der anderen Seite des Parks sehen ?« , frage ich Ruth.
»Sie hat nichts von einer anderen Seite gesagt«, gibt Ruth zurück. »Im Winter kann man John Lennons Haus sehen, hat Jenny gesagt. Sonst nix.«
Im Winter. Wenn die Bäume kein Laub tragen. Guter Hinweis! Ruth ist geliefert!
Eine Polizeistreife biegt um die Ecke und rettet Ruth das Leben, denn beim Anblick der Beamten hören Nina und ich auf, unsere Freundin zu würgen, und gehen munter pfeifend den Bürgersteig auf und ab. Ruth findet den tätlichen Angriff
überhaupt nicht witzig. Ich sehe im Augenwinkel, wie sie auf Die Straße rennt. Wild gestikulierend mit erhobenen Händen zwingt sie den Polizeiwagen zum Anhalten.
In Köln hätte sich der Polizist sicher schwerfällig aus dem Wagen gequält und in breiter Mundart gefragt, was »dat lekker Mädschen« denn mitten in der Nacht für Problemchen habe. Aber wir sind nicht in Köln. Die New Yorker Polizei ist darauf geschult, bestimmte Konstellationen sofort als Verbrechen zu identifizieren. Maskierte Männer mit Maschinenpistolen vor dem Uno-Gebäude oder eine schreiende Frau, die auf die Straße läuft, und zwei weitere Gestalten, die sich in der Dunkelheit der Häuserfront verdrücken. Klarer Fall von versuchtem Raub. Zehn Sekunden später stehen Nina und ich mit gespreizten Beinen und erhobenen Armen an eine Hauswand gelehnt und bekommen von einem schwarzen Cop unsere Rechte vorgelesen. Ein zweiter hält uns mit seiner Dienstwaffe in Schach. Das wäre alles halb so wild,
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