Alice@Hollywood
Nur meine Freundinnen nicht. Überhaupt nicht panisch lehnen sie an der Wand und beobachten das Treiben auf den Fluren. Jennys Wohnungstür wird aufgerissen. Ein gut aussehender Italiener mit einer Feuerwehrjacke über der Schulter rauscht an uns vorbei.
»Die Pflicht ruft !« , flötet Ruth ihm hinterher.
Dann taucht Jenny auf, die sich mittlerweile ein Handtuch um die Hüften geschlagen hat. Sie wirft ihrem Firefighter ein paar Küsschen nach.
»Wir müssen hier raus !« , ruft sie, als sie uns entdeckt, aber Ruth und Nina drängen die Halbnackte zurück in die Wohnung. Diesmal ist es Ruth, die den Finger auf die Lippen legt und Jenny zum Schweigen ermahnt. Sie drückt Jenny in einen großen Fernsehsessel. Auch Nina nimmt im Wohnzimmer Platz, und ich flitze als Erstes auf die Toilette. Ein herrliches Gefühl, einem natürlichen Bedürfnis nachgehen zu können, ohne dass ein ganzes Stadtviertel in Aufruhr versetzt wird. Als ich zu den anderen zurückkehre, lässt der Tumult draußen allmählich nach.
»Falscher Alarm !« , sagt Nina trocken und grinst Ruth breit an.
»Ihr habt doch nicht etwa den Feuermelder betätigt ?« , frage ich ungläubig, doch die beiden übermüdeten Zombies nicken stolz. Jenny fällt aus allen Wolken. Wie soll sie das bloß Guiseppe erklären, wenn sie ihn wieder sieht!
»Wie viele von den Kerlen, mit denen du hier rumgemacht hast, hast du jemals wieder gesehen ?« , frage ich nach.
Jenny überlegt kurz. Schließlich gibt sie zu, dass die Zahl eher gegen Null strebt. Nach all den Anstrengungen überfällt uns nun schlagartig die Müdigkeit. Jennys Espresso hält uns zwar noch so lange wach, wie unser Reisebericht in Kurzform dauert, aber dann verkrümeln wir uns alle in die diversen Schlafzimmer des großen Apartments. Endlich Ruhe. Ich wasche mir schnell die Hände, verzichte aufs Zähneputzen und weitere Körperhygiene und lasse mich auf das ultraweiche King-Size-Bett fallen. Von der Straße her höre ich Sirenen, aber der Feuerwehrwagen fährt an der Hausnummer sieben, sieben, sieben vorbei. Wahrscheinlich hat irgendwo anders eine vollkommen übermüdete Deutsche falschen Alarm ausgelöst. Wenn ich das
Steve erzähle, der hält uns für komplett bescheuert. Steve, denke ich verträumt und krame in meiner Handtasche nach dem Foto von ihm. Ich finde es zwischen ein paar Werbezetteln, die ich kurz vor der Abreise noch aus meinem Briefkasten gefischt habe, und einem Block, auf dessen oberstem Zettel handschriftlich Jennys New Yorker Adresse und ihre Telefonnummer notiert ist. Shit. Das darf niemals rauskommen. Kurz entschlossen reiße ich das Beweisstück ab und schlucke es mit ein paar M&Ms zusammen herunter. Zettel? Welcher Zettel? Dann stelle ich das Foto von Steve an die Jugendstillampe auf dem kleinen Nachtschrank neben dem Bett. Morgen werde ich ihn besuchen. Er wird mich fest in die Arme schließen, und wir werden uns lange und leidenschaftlich küssen. Fast vier Monate habe ich ihn jetzt nicht gesehen. Eine Ewigkeit. Noch einmal nehme ich das Foto hoch. Er sieht verdammt gut aus, in seinem ärmellosen University-of-Wisconsin-T-Shirt. Gut durchtrainiert , aber keine prolligen Angeber-Muckis. Gerade das richtige Maß. Dunkelblonde, leicht lockige Haare und ein unwiderstehliches Lachen. Dafür hat sich der ganze Stress gelohnt. Ich stelle das Foto zurück und lösche das Licht. Morgen wird alles gut.
2. Die Tiger sind Los
Ich war gerade dabei, ein Update der Programmvorschau auf unsere Homepage zu laden, als Katja gegen meinen Schreibtisch stolperte. Meine Kaffeetasse mit dem Bärchen-Logo aus der Zeit, als sich Berlin für Olympia 2000 beworben hatte, geriet ins Wanken. Mein beherzter Griff kam zu spät: Die Reste der braunen Brühe verteilten sich gleichmäßig auf der Arbeitsplatte. Katja grinste verlegen und zupfte endlos Papier von der Kleenex-Rolle - seit sie bei uns als Volontärin angefangen hat das wichtigste Büro-Utensil auf meinem Schreibtisch. Ich habe das Wort »Katja« in meine Synonym-Liste für »Kleckern« aufgenommen.
Notdürftig beseitigte ich das gröbste Chaos. Nachdem ich sichergestellt hatte, dass meine Maus nicht ersoffen war, knallte Katja mir eine Mappe mit Prospekten auf den Schreibtisch.
»Eine Dampferfahrt auf dem Rhein. Was hältst du davon ?« , fragte sie gut gelaunt. Unschuldig schnippte sie noch ein paar Kaffeetröpfchen von der Tastatur. Ich schlug den Prospekt auf und sah das stolze Flagschiff der Köln-Düsseldorfer
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