Alice@Hollywood
hört mir geduldig zu. Als ich meinen ganzen Müll bei ihr abgeladen habe, fühle ich mich wirklich erleichtert. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einer total fremden Person anvertrauen könnte, doch diese Mittdreißigerin in ihren verwaschenen Designerklamotten gibt mir irgendwie das Gefühl von Vertrautheit. Das Schöne ist, dass sie nicht unnötig nachfragt oder sich genötigt fühlt, mir irgendwelche klugen Ratschläge zu verpassen. Ich hasse Leute, die von meinem Leben keine Ahnung haben, aber sich anmaßen, es besser zu verstehen als ich selbst. Und so ist es für Monica anscheinend völlig okay, dass ich das Thema wechsele und nach ihrer Seidenbluse frage.
Ein fehlerhafter Restposten eines großen Modelabels, erklärt sie. Dann erzählt Monica, dass sie in diesem kleinen Edel-Laden an der Prachtstraße als Auspackerin im Lager arbeitet. Hin und wieder mal bekomme sie Ausschussware billiger. Das sei in Ordnung. Große Sprünge könne sie sich bei ihrem schmalen Gehalt ohnehin nicht leisten. Monica bietet mir ein paar Schokokekse an, gönnt sich selbst ebenfalls ein süßes Mittagessen. Plötzlich zeigt sie unvermittelt in Richtung einer Stichstraße.
»Da geht's nach Beverly Hills. Da habe ich mal gewohnt! Ein paar Straßen weiter haben Paul Newman und Phil Collins ihre Villen .«
Ich schaue Monica ungläubig an. Sie lacht. Es sei wahr. Noch vor ein paar Jahren habe sie hier ein Haus gehabt, mit 17 Zimmern und einem Pool im Garten, in dem man einen Truck hätte versenken können. Doch sie habe alles verloren. Jetzt lebe sie in einer etwas schäbigen Einzimmerwohnung in San Pedro, einem südlichen Vorort von Los Angeles. Das Anwesen zwischen den Reichen und Schönen gehöre mittlerweile einem Regisseur aus der Werbebranche. Jeff David. Den Namen hätte ich sicher noch nie gehört, aber er sei einer der ganz Großen.
»Wie? Alles verloren ?« , hake ich nach, »so eine Villa hier kostet doch Millionen. Da muss doch etwas davon übrig sein !!«
Monica schüttelt den Kopf. Alles auf Kredit gekauft. Genau wie ihre Autos, der Schmuck und überhaupt. Ihr ganzes Leben sei quasi nur auf Kredit gewesen. Als sie ihren Job verloren habe, hätten die Banken sie gepfändet.
Monica steckt sich einen Nikotinkaugummi in den Mund und verzieht das Gesicht. Seit die Antiraucher-Kampagnen hier Formen der Hexenverfolgung angenommen hätten, ziehe sie es vor, selbst auf die Glimmstängel zu verzichten. Außerdem, wenn ihr Chef den Rauch an ihr riechen würde, wäre sie quasi schon gefeuert. Das Risiko sei bei der schlechten Joblage hier viel zu groß. Ein paar Mal kaut sie auf der klebrigen Masse herum, dann fährt sie fort.
Sie sei in den Achtzigern als junges Mädchen nach Hollywood gegangen, um Schauspielerin zu werden. Wie eigentlich alle jungen Mädchen, die von zu Hause ausreißen, um nach Hollywood zu gehen. Anfangs habe sie sich mit Kellnern über Wasser gehalten. Hier und da mal ein Casting, ohne viel Geld zu verdienen. Das übliche Klischee also, am Existenzminimum, aber mit großen Ambitionen. Shakespeare im Park, eine Bettszene mit Bruce Willis und so ... Nach ein paar Jahren waren die Ambitionen verflogen und Monica dankbar, als sie zufällig auf der Straße einen alten Klassenkameraden traf, der ihr einen Job anbot. Hank, so hieß er, arbeitete in einer kleinen Softwarefirma, die Computerspiele entwickelte. Die Branche sei im Aufwind und es gäbe jede Menge Geld zu verdienen, wenn man es nur richtig anstellte. Monica hatte zwar kaum Ahnung von Computern, aber sie war halbwegs kreativ und hatte ein paar gute Ideen für Fantasyspiele. Gutes Aussehen und ansatzweise ein paar Ideen reichten in der Branche für den Einstieg, wusste Hank sie zu motivieren. So bekam Monica tatsächlich eine Festanstellung in Hanks Softwarefirma.
»Ich war ja eigentlich Schauspielerin«, erklärt Monica mir weiter, »also habe ich die Rolle der Software-Entwicklerin gespielt .«
Ziemlich gut muss sie das gemacht haben, denn in kurzer Zeit hatte sie sich schon ein ganz ordentliches Standing verschafft.
»Leider hatte ich nicht wirklich viele Ideen, was aber nicht auffiel, da wir ja im Team arbeiteten«, berichtet sie weiter.
So habe sie einfach hin und wieder mal einen Entwurf einer anderen Abteilung als Erste zum Chef getragen oder ein wichtiges Meeting mit Einkäufern vorverlegt, ohne ihren Kollegen etwas davon zu sagen. Schon bald galt Monica als die absolute Koryphäe in Sachen PC-Games. Kein Wunder, dass andere Firmen auf
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