Alice@Hollywood
wir doch nun mal in Las Vegas sind, geht die Tür auf. Peter Pan taucht hinter einem riesigen Strauß Rosen auf. Er ist ausgesprochen gut gelaunt.
»Hey, Ruth. Was machst du für ein Gesicht ?«
Da Ruth gerade ihre Stimme verloren hat, frage ich nach, was denn nun mit dem One-Night-Stand und den 50 000 Dollar los sei.
»It was a joke !« , erklärt Ron freimütig.
Er und sein blonder Kumpel hätten testen wollen, ob Ruths Liebe so groß sei, dass sie ihn für einen gemeinsamen Traum an einen anderen abgeben würde. Natürlich habe es dies unmoralische Angebot nicht wirklich gegeben. Jetzt aber, wo er gesehen habe, was Ruth bereit sei für ihn zu opfern, könne man getrost heiraten. Aber nicht wieder bei den Piraten. Seine Strumpfhosen seien denkbar unbequem. Er habe für morgen, 12 Uhr, einen Termin mit Elvis abgemacht.
Ruth ist kreidebleich. Sie muss sich auf meinem Nachtschrank abstützen, um nicht nach hinten umzukippen. Dabei ertastet ihre Hand die festgeschraubte Fernbedienung. Die Finger klammern sich um das schwarze Metall. Ruth mutiert zu Hulk Hogan. Sie reißt die Fernbedienung mitsamt einem Teil der Nachttischplatte ab. Ein Schrei. Das Geschoss trifft Peter Pan am Kopf und streckt ihn zu Boden.
»Verschwinde aus meinem Leben !«
Ron will noch etwas zu seiner Entschuldigung sagen, doch Nina und ich walten erneut unseres Freundinnenamtes. Wir packen den Kerl rechts und links unter den Armen und schleifen ihn aus dem Zimmer bis zum Fahrstuhl. Er solle sich nie wieder blicken lassen. Das Letzte, was wir sehen, ist, wie zwei gut gebaute Surfertypen aus dem Fahrstuhl steigen und offenbar Interesse an den Konturen haben, die sich unter Rons grüner Wollstrumpfhose abzeichnen. Vielleicht ist ja von denen einer bereit, in die Harley-Werkstatt zu investieren.
An diesem Abend erweisen sich Nina und ich noch ein weiteres Mal als gute Freundinnen, indem wir tatsächlich mit Ruth in das Yanni-Konzert gehen. Der Star ist eine Mischung aus Julio Iglesias und Costa Cordalis. Ekstatische Mitfünfzigerinnen werfen ihre Stützstrümpfe auf die Bühne. Danach ist mir klar, dass mich in diesem Leben nichts mehr schocken kann. Mal abgesehen von der Hotelrechnung, die tatsächlich einen Posten in Höhe von zweihundert Dollar für den Pornokanal ausweist.
Am nächsten Morgen sitzen wir wieder in der Pizza-Ecke des Casinos und verfuttern Ruths Gutscheinheft. Nachdenklich kaut sie auf der Calzone. Sie leistet Trauerarbeit. Dann erwacht sie aus ihrer Lethargie und fasst ihre Gefühle zusammen: »Alle Männer sind scheiße !« Danach bittet Ruth uns, in ihrer Gegenwart nicht mehr von Ron im Speziellen und Kerlen im Allgemeinen zu sprechen. Das Kloster können wir ihr noch ausreden, danach wird das Thema »Vorfälle in Las Vegas und deren Konsequenzen« zum Tabuthema erklärt.
Etwas traurig sitzen wir neben meinem Freund, dem einarmigen Banditen. Es scheint, als habe selbst er Mitleid, denn sein »dit dit dit« fällt heute wesentlich unaufdringlicher aus.
»Okay, Mädels. Eigentlich haben wir zwar erst die Hälfte unseres Urlaubs rum, aber ich denke, wir sollten uns mal um unsere Rückreise kümmern«, schlägt Nina vor.
Keine schlechte Idee. Auf der Urlaubskatastrophenskala haben wir den Zenit erreicht. Was soll jetzt noch kommen? Und im Grunde haben wir mittlerweile alle eine gehörige Portion Heimweh. Nina fehlt ihr Thorben-Hendrik, Ruth vermisst das Original Birchermüsli, und für mich hat sich mit Steve der Grund meines Urlaubs in Luft aufgelöst. Wir beschließen, zum Flughafen zu fahren, um herauszufinden, wann wir den nächsten Flug zurück nach Deutschland bekommen können.
»Are you Alice ?« , fragt die afroamerikanische Bedienung. Ich nicke. Sie drückt mir einen Telefonhörer in die Hand. »For you!«
Sofort macht sich ein schlechtes Gewissen breit. Wahrscheinlich ist meine Kreditkarte nicht gedeckt, oder Yanni hat von meinem Anblick gestern Abend einen traumatischen Schock davongetragen und muss nun seine Tournee absagen. Zaghaft flüstere ich meinen Namen ins Telefon.
»Yes. This is Alice.«
Die Stimme am anderen Ende kommt mir bekannt vor.
»Steve? ... Wie, Los Angeles?«
Und dann hat er auch schon wieder aufgelegt. Die Mädels schauen mich fragend an.
»Wir fliegen nicht nach Hause«, sage ich wie in Trance, »wir fahren nach Los Angeles und treffen Steve !«
12. ALICE@HollyWooD
Die Mädels schlafen noch, als ich gegen halb sechs morgens das Hotel verlasse. Gestern Abend haben wir einen Flug
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