Alice@Hollywood
von Las Vegas nach Los Angeles bekommen und hier in einem kleinen, aber sauberen Hotel in der Nähe von Venice Beach eingecheckt. Ich glaube, das war das erste Mal in diesem Urlaub, dass etwas ohne größere Schwierigkeiten geklappt hat. Abgesehen davon, dass wir nur drei Einzelzimmer bekommen haben und meines Blick auf den Hinterhof inklusive Müllcontainer hat. Aber ich will mich nicht beschweren. Ich muss mein Bett nicht mit einem Massenmörder teilen, dass ist doch immerhin schon etwas. An der Rezeption habe ich eine Nachricht für Ruth und Nina hinterlassen. Ich bräuchte mal einen Tag für mich und würde sie zum Abendessen im Restaurant gegenüber vom Hotel treffen. Sie sollten sich keine Sorgen um mich machen.
Los Angeles erscheint mir erstaunlich ruhig. Selbst zu dieser frühen Uhrzeit hätte ich mit mehr Betriebsamkeit auf den Straßen gerechnet. An einer kleinen Bäckerei wird das Rollgitter hochgezogen. Ein Bagel-Shop hat bereits eine Kreidetafel mit den täglichen Specials vor der Tür stehen. Viel mehr ist aber nicht los. Am Strand hüpfen ein paar Jogger an mir vorbei. Ein bisschen scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein: Die Frauen tragen beim Laufen noch immer überwiegend pinkfarbene Bodys mit entsprechenden Stirnbändern. Jane Fondas Fitnessvideos aus den Achtzigen lassen grüßen. Bevor die Stadt aus dem Halbschlaf erwacht, gönne ich mir einen Becher Kaffee und ein Brötchen mit Ahornsirup bei Dunkin' Donuts. Wenn wir zurück in Deutschland sind, beschließe ich, werde ich des Öfteren mal früh aufstehen und meinem Viertel bei der Morgentoilette zuschauen. Es liegt ein gutes Gefühl der Reinheit in der Luft, bevor der Tag mit seiner Hektik und allen Sorgen die Atmosphäre wieder trübt.
Ein Taxifahrer lehnt gelangweilt an seinem verbeulten Chevrolet. Ich bin seine erste Tour heute, und er ist schweigsam auf unserem Weg nach Beverly Hills. Wahrscheinlich noch nicht ganz wach, muss er ein paar Mal scharf bremsen, wenn eine Ampel auf Rot umspringt. Ich bin ganz froh, dass der Mann hinter dem Steuer seine Morgenmuffligkeit auslebt. So habe ich nicht das Gefühl, mich mit ihm unterhalten zu müssen. In der Nähe des Rodeo Drive steige ich aus. Der Taxifahrer ist noch so matt, dass er sich nicht einmal aufregt, als ich ihm nur sechzig Cent Trinkgeld gebe. Träge fädelt sich das Taxi wieder in den fließenden Verkehr ein. Ich schaue mich um und erkenne die Szenerie. Beverly Hills 90210, Pretty Woman oder L. A. Story. Intuitiv mache ich einen Schritt zurück in der Befürchtung, Steve Martin könnte jede Sekunde vorbeikommen und mich aus Versehen über den Haufen fahren. Doch lediglich ein Milchlaster hustet mir sein Kohlendioxyd ins Gesicht. Ein paar Schritte weiter baut ein Latino, der eigentlich um diese Zeit in der Schule sein müsste, einen kleinen Verkaufsstand auf. Hier gibt es Straßenkarten von Hollywood, Beverly Hills und Bei Air, in denen die Häuser von Stars und Sternchen eingezeichnet sind. Ein Faltblatt mit aktuellem Klatsch und Tratsch gibt's dazu. Für fünf Dollar erstehe ich die heißen Informationen, die ich mir sonst zu Hause aus meinem abendlichen Pflichtprogramm RTL-Exklusiv hole. Ich erfahre, dass Meg Ryan sich angeblich jetzt auch noch in New York eine Stadtwohnung gekauft hat und dass Jennifer Aniston und Jay Leno im Planet Hollywood Cheeseburger gegessen haben. Vielleicht läuft da ja was. Die einfach gefaltete Karte, mit der ich tausendmal besser zurechtkomme als mit geschlitzten und patentgeschnippelten Stadtplänen, weist mir den Weg zu einer pompösen Villa, in der unter anderem auch schon mal Tony Curtis und Marilyn Monroe gewohnt haben sollen. Zu Fuß erkunde ich die Gegend, bis mir gegen Mittag die Füße weh tun . Immerhin habe ich 27 Fotos von Häusern gemacht. Ob sich hinter den Fassaden tatsächlich Hollywoodstars und -Sternchen ihren Kaffee brühen oder private Pornofilmchen drehen, ist letztlich zweitrangig. Die Illusion zählt und die Phantasie. Ich werde schon wie Nina. Ich muss mich zusammenreißen, damit meine Phantasie mir Brad Pitts erotische Homevideos nicht in allzu schillernden Farben ausmalt.
Eine Parkbank mit chinesischen Schnitzerein an der Rückenlehne lädt mich auf ein Päuschen ein. Der Beverly Gardens Park streckt sich am Santa Monica Boulevard entlang und lässt mit seinen Palmen und riesigen Kakteen so etwas wie Urlaubsstimmung aufkommen. In meiner Handtasche finde ich eine Dose Pepsi, die nach der Rumlauferei gut tut, obwohl sie
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