Alicia - Gefaehrtin der Nacht
nachtschwarz und ich erkannte, dass noch Leben in ihnen war. Der Riss an seinem Hals war tief, das Blut lief in einem dünnen, aber stetigen Rinnsal aus und versickerte im Boden. Ich beugte mich hinüber und legte meine Lippen behutsam über die Wunde. Dann fing ich an zu saugen, wobei ich sorgsam darauf achtete, dass meine Reißzähne die zarte Haut nicht noch weiter einritzten, und ich spürte, wie mein Leib Aleshs versiegende Lebenskraft aufnahm. Das war alles, was ich noch für Laurean und seinen Abkömmling tun konnte. Sie würden beide für immer in mir weiterleben.
Schließlich setzte ich mich auf und horchte in den Wald hinein. Aus verschiedenen Richtungen waren noch Kampfgeräusche zu hören. Der bittere Gestank des sich im Weihwasser auflösenden Fleisches durchdrang alle Poren. Ich warf einen letzten Blick auf Laurean, dann legte ich meinen Mund sacht auf seine leicht geöffneten Lippen.
« Und ich liebe dich doch!», flüsterte ich und berührte das Amulett des Fürsten. Nun hing es an meiner Brust und ich wusste, was meine Pflicht war.
Ich erhob mich und schlich, die Deckung der dicht stehenden Bäume ausnutzend, näher an die Villa heran. Einmal stolperte ich beinahe über die Körper von zwei sterbenden Mönchen und ich widerstand nur mühsam der Versuchung, mich auf sie zu werfen, doch der Blutdurst musste vorerst zurückstehen. Ich fletschte die Zähne und pirschte mich lautlos an zwei Schatten an, die miteinander rangen. Als ich nur noch wenige Schritte entfernt war, erkannte ich, dass es ein Mönch und eine Salizarin waren. An körperlicher Kraft wäre sie ihm normalerweise überlegen gewesen, wenn es ihm nicht gelungen wäre, sein todbringendes Wasser auf sie zu schütten. Einer ihrer Arme hing nutzlos herunter, der Knochen stach bereits aus dem dampfenden und stinkenden Fleisch hervor. In dem Moment, als ich mich auf den Mönch stürzen wollte, bäumte die Salizarin sich ein letztes Mal auf, schleuderte den Mann in der Kutte herum. Sie warf sich mit letzter Kraft auf ihn und vergrub die Zähne in seinen Hals. Eine Bewegung, die ich aus den Augenwinkeln bemerkte, ließ mich herumwirbeln. Eine hünenhafte Gestalt stürmte auf mich zu und rammte mich mit solcher Wucht, dass ich beinahe gestürzt wäre. Ich fing mich im letzten Moment und stemmte mich mit ausgestreckten Armen gegen den Angreifer. Meine Finger wurden zu Krallen, die sich durch den Stoff der Kutte hindurchgruben und die Haut des Mönches ritzten. Er stöhnte auf, das Gesicht zu einer Maske aus Schmerz und Hass verzerrt. Ich musste meine Hände oder die Reißzähne an seinen Hals bringen, bevor es ihm gelang, die bereits geöffnete Phiole mit Weihwasser auf mich zu schütten. Dann wäre es aus mit mir, daran hegte ich keinen Zweifel, es ging nun auch für mich um Leben und Tod.
Hilf mir, Laurean, flehte ich stumm, während ich verbissen versuchte, die Oberhand über diesen widerlichen Mönch zu erringen. Unter normalen Umständen hätte ich ihn längst zu Boden geworfen, doch ich fürchtete das todbringende Fläschchen. Während wir miteinander rangen, roch ich schon das Blut des Mönches, das aus der verletzten Haut in den Stoff der Kutte gesickert war und meine Fingerspitzen benetzte. Ich knurrte und fletschte die Reißzähne, immer näher rückte ich an den Feind heran, es fehlten nur noch wenige Zentimeter, dann würden meine Lippen seinen Hals berühren. Plötzlich durchfuhr ein bohrender Schmerz meinen Arm, es zischte und begann zu stinken. Ich hatte etwas von dem Weihwasser abbekommen! Laurean, dachte ich, verzeih mir, wenn ich es nicht schaffe, deinen Auftrag zu erfüllen. Ich brüllte wie ein wütendes, verwundetes Raubtier, dann sah ich mit einem Mal Laureans Gesicht vor mir, er kam immer näher und dann war es, als glitte er zu mir unter die Haut. Meine Brust schwoll an von seiner Wut und Kraft und dann schleuderte ich den Mönch mit einer einzigen Bewegung zu Boden. Im nächsten Moment schon zerrissen meine Zähne seine Hauptader. Ich spuckte das säuerliche Mönchsblut aus und ließ ihn in den Boden bluten. Wie besinnungslos vor Schmerz stürzte ich mich auf den nächsten Mönch, der gerade einen Salizaren ins Verderben geschickt hatte. So ging das Kämpfen und Schlachten bis zum Morgengrauen weiter. So verbissen wir uns auch wehrten, diese immer kleiner werdende Schar von Salizaren, die wir uns stets aufs Neue in den Wald zurückzogen, um kurz darauf erneut anzugreifen und den Mönchen etliche Verluste zufügen
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