Alicia - Gefaehrtin der Nacht
aufgeben.
«Wir finden einen Weg, Laurean! Was ist mit der Weissagung? Sie hat uns doch Alesh versprochen und die Rückkehr der Blutgöttin! Wir können nicht verlieren, wir sind ewig!»
«Der Stamm ist ewig, Alicia, damit hast du recht, aber ich fürchte, Orlathat wird noch warten müssen, bis ein neuer Alesh geboren wird. Bis dahin wirst du für den Fortbestand der Salizaren sorgen.»
«Ich? Warum ich? Wo wirst du sein? Laurean, ich … ich liebe dich!»
Erneut schüttelte Laurean den Kopf und diesmal war ich sicher, einen verräterischen Schimmer in seinen Augen zu sehen.
«Du kannst mich nicht lieben, Alicia, du bist eine Salizarin.»
«Doch, das kann ich», gab ich trotzig zurück. »Und du liebst mich auch.»
«Wir sind füreinander bestimmt, meine Gefährtin, das ist etwas anderes.»
«Gut, dann eben das. Ich gehe, wohin du auch gehst. Du darfst mich nicht allein lassen, Laurean!»
Ich war so dicht an ihn herangetreten, dass meine Brust die seine berührte und ich spürte unmittelbar, wie unsere Körper reagierten. Es war wie in dem Traum, als wir zu einem Wesen verschmolzen waren und ich gefühlt hatte, was er fühlte. Ich blickte mich selbst aus seinen Augen an und er schaute aus meinen, und obwohl wir uns in getrennten Körpern aufhielten, waren wir eins, und wir waren gleich. Wären wir Menschen, dann hätten wir uns in diesem Augenblick wohl geküsst, und für diesen einen kurzen Moment sehnte ich mich danach, dass ich einfach eine Frau sein könnte und Laurean ein Mann. Wir wären uns begegnet, wir hätten uns verliebt und eines Tages geheiratet, wir hätten uns gemeinsame Kinder gewünscht und dann auch bekommen, wir hätten Krisen zusammen durchlebt, aber die meisten Jahre wären glücklich geworden, und dann wären wir zusammen alt geworden und grau, und auch das hätten wir zusammen durchgestanden, bis es für einen von uns Zeit geworden wäre zu gehen, und dann hätte der andere noch eine Weile ausgehalten, um ihm bald darauf in die Ewigkeit zu folgen.
Das hätte unser Leben sein können, wenn nicht – ach, Laurean, mein Liebster, dachte ich, und wünschte ein letztes Mal, dass unsere Lippen sich berühren könnten. Dann war der Augenblick der Schwäche und des Bedauerns vorbei, die Salizarin in mir nahm erneut überhand und mit ihr die Lust auf frisches Blut. Ich hörte das Jammern der Blutsklaven, die schon ahnten, was unausweichlich mit ihnen geschehen würde. Laurean löste als erster den Blick von mir, dann trat er an die Brüstung der Empore und hob die rechte Hand zum Zeichen, dass das Schlachten beginnen konnte.
Unsere Zähne waren tagsüber so unnütz wie die der Menschen, sodass Laurean ausnahmsweise gestattet hatte, dass das übliche Ritual umgangen und Hilfsmittel verwendet werden durften. Die Menge stob kurz auseinander, fieberhaft suchten sie den Boden nach scharfkantigen Steinen und das Feuerholz nach spitzen Stöcken ab, um sich dann unter wildem Geheul mit den primitiven Werkzeugen bewaffnet auf die Blutopfer zu stürzen. Binnen weniger Minuten war die Felsgrotte mit schreienden, dann nur noch zuckenden Leibern übersät. Der ganze Stamm stürzte sich ohne Ansehen der Kaste auf die Verletzten und Sterbenden, sie fügten ihnen am ganzen Körper Wunden zu, um dann ihre Münder über die blutenden Löcher zu stülpen und zu trinken. Ein Opfer nach dem anderen lag schließlich reglos da, doch der Blutrausch war nicht aufzuhalten. Vielleicht war es auch die Aussicht auf die baldige Auslöschung der eigenen Existenz, welche die Salizaren zu ungewohnter Grausamkeit anstachelte. Normalerweise raubten wir unserer Beute nur das Blut, weil wir leben wollten, jedoch nicht, um sie zu quälen, doch während dieser Tag sich dem Ende hin zuneigte, nahm das Gemetzel kein Ende. Anfangs leckte ich mir nur die Lippen, doch ich blieb standhaft neben Laurean stehen. Wenn er nicht trank, dann würde ich es auch nicht tun.
«Willst du nicht…», wagte ich einmal zu fragen, doch Laurean brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen. Kurz darauf, als die Mehrzahl der rot besudelten Salizaren schließlich doch gesättigt auf dem Boden der Grotte niedersank und einzelne bereits anfingen, sich der Paarung hinzugeben, die meistens auf den Blutdurst folgte, da wurde aus dem letzten Gang der Höhle noch ein Gefangener herbeigeführt. Als ich ihn erkannte, begriff ich, warum Laurean sich dieses Opfer bis zum Schluss aufgespart hatte. Desan schritt erhobenen Hauptes über den von Blut und
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