Alicia II
oder ob sie etwas für die Gesellschaft geleistet hatten, wurden die Tests und Bedingungen weiter verschärft. Und das Übrige ist euch bekannt. Irgendwie haben wir heute weniger gottähnliche Typen zu erneuern – Beiträge zum Wohl der Menschheit sind, wie ihr bemerkt haben werdet, seit der Einführung des Erneuerns selten geworden –, und der Erneuerten gibt es immer mehr. Das ist keine Elite, das ist nur ein Haufen gieriger Unsterblicher. Wir wollten, daß die Albert Einsteins und Salvatore Bandiellos, Shelleys und Rembrandts fortbeständen – und bekommen haben wir Tausende und Millionen von Pierre Madlings und Ben Blountes und …«
»Und Vossilyev Geraghtys«, ergänzte ich.
»So ist es«, erklärte Ben. »Obwohl es Augenblicke gibt, in denen ich glaube, ein Molekül authentischen Werts in dir zu entdecken. Wieviel Uhr ist es, Alicia?«
Sie sah auf eine Uhr, die auf einem Tisch in der Nähe stand.
»Beinahe drei.«
»Gott, ich habe um drei einen Termin. Nun, sie können warten. Ich habe sie früher schon warten lassen. Okay, die Mission. Du und Stacy, ihr arbeitet euch in der Erneuerungskammer bis zum Mittelpunkt der Lagerräume vor. In diesem Raum – ach was, Raum, es ist eine unterirdische Höhle, halb so groß wie die Insel Manhattan – sind die Gehirne der künftigen Erneuerten gelagert, alle in ihren verschiedenen Perioden der Dunkelheit. Einige behaupten, es müsse nicht das ganze Gehirn konserviert werden, nur ein bestimmter kleiner Teil enthalte die Seele. Doch da die Seele immer dem Gehirn entnommen worden ist, werden die Gehirne konserviert. Während der Periode der Dunkelheit werden sie mit einer Nährlösung am Leben gehalten. Sie leben, aber sie arbeiten nicht. Wichtig ist, das sich jedes Gehirn fast auf Tiefsttemperatur befindet. Das ist nicht die alte Methode des Einfrierens – nein, der neue Prozeß könnte besser als Betäubung beschrieben werden. Deshalb ist eine fortlaufende Ernährung notwendig. Die Flüssigkeit, in der jedes Gehirn ruht, hält es in seinem betäubten Zustand, ernährt und pflegt es. Das Gehirn selbst, dieser Materieklumpen, den wir Gehirn nennen, ist in erster Linie das Gehäuse für die Seele. Die Nährlösung erhält sie, indem sie das Gehirn erhält. Wenn die Zeit der Wiedererweckung gekommen ist, dient die Flüssigkeit als Leiter, durch den die Seele so geheimnisvoll extrahiert wird. Ich weiß nicht genau, wie das gemacht wird. Ich kann nur einen Vergleich zu Mikrowellen ziehen. Doch auch dann ist mir die Sache ebenso schleierhaft, wie die Theorien von Tesla und Lodge ihren Fachkollegen vorgekommen sein müssen. Bekannt ist mir nur folgendes: Die Erneuerungsinstrumente werden am einen Ende des Behälters mit dem Gehirn angeschlossen und der neue Körper am anderen, und die sogenannte Seele wird aus dem ursprünglichen Gehirn in das Gehirn des neuen Körpers überführt. Dessen Seele ist natürlich vorher extrahiert und vernichtet worden. An diesem Punkt wird die Wissenschaft in meinen Augen zur Magie, besonders da es uns nicht gelungen ist, wesentliche Einzelheiten über die Erneuerungstechnik in Erfahrung zu bringen. Ich weiß nicht, vielleicht ist es tatsächlich Magie. Ich weiß, daß vor der magischen Übertragung der Seele einige Zellen aus bestimmten Teilen des ursprünglichen Gehirns chirurgisch in das neue Gehirn verpflanzt werden. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie sie sich mit Zellen von anderer genetischer Struktur vertragen. Diese Zellverpflanzung sorgt irgendwie dafür, daß sich die Seele dem neuen Körper anpaßt. Nach der Übertragung arbeitet ein Team aus Technikern, Chirurgen und Mechdoks fieberhaft an dem neuen Körper und hört nicht eher auf, bis Körper und Gehirn in Übereinstimmung funktionieren. Dann ist der frisch Erneuerte geboren oder wiedergeboren oder was er nun, zum Teufel, ist. Das ist so ungefähr alles, was ich dir erzählen kann. Du brauchtest es nicht einmal zu wissen. Aber ich möchte, daß dir klar ist, was du tust, weil nämlich deine wirklichen Probleme erst beginnen, wenn du die Lagerhöhle erreicht hast. Dort könnte etwas schiefgehen, und ich habe keine Möglichkeit, dir den Erfolg zu garantieren. Das Risiko ist hier am größten.«
»Was genau sollen wir tun, wenn wir das Ziel erreicht haben?«
Ben hielt sein Glas gegen sein Bein und drehte es halb nach links und dann halb nach rechts, als versuche er, sich damit ein Loch in die Haut zu bohren. Dann sah er mich an und beugte sich vor.
»Das ist der
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