Alicia II
Farbtupfer. In jedem Glühwürmchenlicht tanzten mehrere Farben umher. Flecken in den Flecken. Purpur und Orange herrschten vor, und blaue Linien verbanden einige der inneren Farbtupfer. Als ich näher heran war, sah ich, daß die Bewegungen der Glühwürmchenlichter nicht so aufs Geratewohl erfolgten, wie ich ursprünglich gedacht hatte.
Einige flogen ein mehr oder weniger kreisförmiges Muster, andere tanzten kompliziertere, nahezu geometrische Figuren.
Ihr schwebendes Ballett hatte wenig Rhythmus oder Schönheit, aber ich war überzeugt, daß irgendeine Organisation dahintersteckte. Als würden die Lichter von einem Verstand manipuliert. Vielleicht war es der Verstand des Nebels selbst oder der einer Wesenheit, die ich noch nicht gesehen hatte.
Ich kam an eins der Lichter nahe genug heran, daß ich Einzelheiten feststellen konnte. Es war beinahe rund und mit einem Durchmesser von fünf oder sechs Zoll nicht besonders groß. Anscheinend hatte es sogar Substanz, wenn auch der Stoff, aus dem es bestand, nicht greifbar war. Ich hatte Transparenz erwartet, vermochte aber nicht hindurchzusehen.
Mit ausgestreckter Hand prüfte ich, ob es von Wärme oder einer fühlbaren Aura umgeben sei, doch da wich es mir seitwärts aus. Die blauen Verbindungslinien schimmerten, und die Farbtupfer bewegten sich etwas. Aufregung packte mich.
Hier gab es tatsächlich Leben, möglicherweise sogar Intelligenz! Sehr langsam folgte ich dem Licht. Ich kam mir wie ein Tiefseetaucher vor, ein Vergleich, der besser zutraf, als ich damals wußte. Ich versuchte, das Licht zu berühren, und immer wieder bewegte es sich von mir weg, sobald ich ihm näherkam. Jedes Mal in eine andere Richtung. Wir spielen also Katze und Maus, dachte ich, aber warum gebraucht es seine Beweglichkeit nicht dazu, mir einfach zu entfliehen? Was hält es innerhalb einer bestimmten Entfernung? Was läßt es anhalten, immer wenn es ein Stück von mir abgerückt ist? Ich stellte mir Stacy vor, wie er meine Manöver auf seinen Instrumenten verfolgte und sich fragte, was, zum Teufel, ich vorhätte. Ich fürchtete, er könne mein Hin- und Herspringen als gefährliche Situation auslegen und mir in den Nebel nachkommen. Deshalb nahm ich mir vor, bald Schluß mit meiner Beobachtung des Glühwürmchenlichts zu machen.
Ich näherte mich ihm von neuem, und es hielt an.
Versuchsweise streckte ich meine Hand aus. Ich spürte nichts, also führte ich die Hand weiter heran, beinahe bis zu der sichtbaren Grenze des Lichts. Immer noch nichts. Was soll’s, sagte ich zu mir selbst, ich werde es einmal berühren, und das tat ich. Meine Hand glitt mühelos in das Licht. Diesmal spürte ich gleichzeitig nichts und etwas. Ich hatte nicht das Gefühl, eine Oberfläche zu berühren, meine Hand schien sich in leerer Luft zu befinden. Doch in der Hand regte sich etwas, als kribbelten plötzlich alle Nerven. Um meine Knöchel war ein leichter Schmerz. Ich zog meine Hand heraus, und diese Gefühle verschwanden. Ich wiederholte die Aktion – mit dem gleichen Ergebnis. Innerhalb des Lichts Nervenreizung, außerhalb des Lichts wieder alles normal, nicht einmal ein Nachklingen.
Das erregte meine Neugier, aber die Ausdeutung mußte ich den Experten überlassen. Ich konnte es mir nicht leisten, noch mehr Zeit im Nebel zu verbringen. Ich winkte dem Licht zum Abschied zu, machte kehrt und begab mich auf den Rückweg zu Stacy. Erst nach mehreren Schritten merkte ich, daß das Licht mir folgte. Erst spürte ich es, dann blickte ich über meine Schulter und wollte mich umdrehen. Es war gleich hinter mir.
Als ich im Vorwärtsgehen innehielt, flog es weiter auf mich zu. Ehe ich mir darüber klar wurde, was geschah, erhöhte es seine Geschwindigkeit und stürzte sich auf mich. Ich sprang zurück, aber nicht schnell genug. Ich sah, wie das Glühwürmchenlicht in meinen Körper eindrang. Es verschwand in meiner Brust, und das war richtig unheimlich.
Anfangs spürte ich nichts, und ich war versucht, mich umzublicken, ob es mich vielleicht passiert und seinen Weg fortgesetzt hatte, sich meiner Körperlichkeit ebenso unbewußt, als sei ich nichts als eine Straßenkreuzung auf seinem täglichen Weg in die Stadt. Dann zwickte mich etwas. Die Stelle lag gleich hinter dem Punkt, wo das Licht in meine Brust eingedrungen war. Der Schmerz war nicht heftig oder intensiv.
Er hatte Ähnlichkeit mit dem Kribbeln in meiner Hand. Nur war diesmal, denn es geschah dicht bei meinem Herzen, ein Druckgefühl dabei. Einen
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