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Alien 2: Verborgene Harmonien

Alien 2: Verborgene Harmonien

Titel: Alien 2: Verborgene Harmonien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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und da standen oder hockten die Dorfbewohner regungslos herum
wie verknöcherte Statuen. Der Lieutenant ignorierte sie
völlig. Als de Ramaira fragte, ob es im Dorf keine Kinder oder
Jungen gebe, antwortete sie geringschätzig: »Die kleinen
Scheißer haben sich alle ins Grasland verzogen. Es lohnt sich
nicht, nach ihnen zu suchen.«
    »Es bleibt noch ein paar Stunden lang hell. Ich möchte
sehen, ob die Kinder zurückkommen, möchte einen Eindruck
davon bekommen, wie sich diese Kreaturen bewegen. Werden sie wieder
zu ihrem Normalverhalten zurückkehren, sobald wir verschwunden
sind?«
    Der Lieutenant versicherte ihm, er werde schon sehr bald das
Normalverhalten der Aborigines kennenlernen, und ließ ihn
allein, damit er, wie sie sich ausdrückte, mit seinen Sonden
spielen konnte. De Ramaira machte es sich bis Sonnenuntergang
außerhalb des Dorfes im hohen Gras bequem und stülpte sich
die Maske seiner Computersimulation über, mit deren Hilfe er
jederzeit nach Belieben eine der kleinen Sonden über die
Hütten lenken konnte. Bild um Bild blühten die Aufnahmen
der Eingeborenen vor seinen inneren Augenlidern auf – wie
schwindelerregende Verzerrungen eines schlechten Trips.
    Wie der Lieutenant versprochen hatte, erwachten die Abos, kaum
daß sie allein waren, aus ihrer Erstarrung und nahmen
gleichzeitig das gemeinsame Summkonzert wieder auf. Sie bewegten sich
in merkwürdig gebückter Haltung, wobei sie ihre langen Arme
locker baumeln ließen und den schmalen Kopf weit
zurücklehnten. Dieser Gang erinnerte de Ramaira an etwas, doch
es dauerte eine geraume Zeit, bis er darauf kam. In ihrer steifen
Körperhaltung ähnelten die Aborigines den Gestalten
altägyptischer Wandmalereien. Tatsächlich – sie sahen
fast so aus, als habe man sie aus einem sandigen Grab ausgebuddelt,
Gestalten, die schon lange tot und vertrocknet waren – und
völlig verzerrt.
    De Ramaira verfolgte gespannt, wie zwei Abos mit beinahe ritueller
Sorgfalt den Körper des toten Sumpfschweines zerlegten. Dabei
hockten sie so dicht über dem Tier, daß die Doppelgelenke
der Knie über ihre Köpfe hinausragten. Vor den Hütten
spielten Kinder, genaue Miniaturen der noch nicht reifen Erwachsenen,
mit Steinen und Knochen oder jagten einander um die Hütten
herum. Der einzige Abo, der durch einige große Narben im
Schritt leicht von seinen Artgenossen zu unterscheiden war, saß
mit gekreuzten Beinen mitten im Dorf. Wie eine ausgetrocknete Spinne,
dachte de Ramaira. Webster, der von der Anwesenheit eines derart
verstümmelten Abos in jedem Dorf berichtete, hatte sie die
Schamanen genannt. Tatsächlich war er bei vielen seiner
Interpretationen nicht sonderlich objektiv gewesen.
    Die orangefarbene Sonne sank tiefer und verlängerte die
Schatten, die die Hütten warfen. De Ramaira rief die Sonde
zurück und begab sich ins Lager. Inmitten einer Umrandung aus
Steinen hatte man ein Feuer entzündet. Dicht daneben lag der
Lieutenant lang ausgestreckt im Gras und las in einem Buch. De
Ramaira hatte es mitgebracht. Es war ein ledergebundener Schinken mit
dem Titel in Goldbuchstaben: Bericht über die Erkundung der
Trackless Mountains 2057.
    Gedruckte Bücher wie auch das Rauchen von Tabak und Marihuana
hatten in den ersten Jahren der Kolonisation eine Wiedergeburt
gefeiert, waren aber, vom Rauchen einmal abgesehen, inzwischen erneut
zu einer Kuriosität geworden.
    Sie hatte also seine Sachen durchwühlt! Völlig
unbeeindruckt von der Tatsache, daß sie den Beweis für
ihre Unverfrorenheit noch in den Händen hielt, meinte der
Lieutenant: »Ziemlich komisches Zeug, was hier drin
steht.«
    »Für Sie sicher komischer als für mich.« De
Ramaira setzte den Koffer mit den Sonden ab. »Wo ist
Jonthan?«
    »Er jagt seinem Hund etwas fürs Abendessen.«
    »Und Sie jagen nicht mit ihm?« Zweimal hatte der
Lieutenant auf dem Ritt von Broken Hill hierher vergeblich ein wildes
Tier oder eine andere Beute durch die dichten Wälder gejagt.
    Sie lächelte wissend und sagte: »Ein guter Griff, der
Junge, nicht wahr?«
    »Das ist nicht das, was ich meine«, antwortete de
Ramaira, von dieser Unterstellung leicht schockiert. Er hatte nichts
dagegen, daß der Lieutenant seine Akte gelesen hatte, aber sie
mußte ihn ja nicht unbedingt mit der Nase darauf stoßen.
»Wenn Sie mit meinem Buch fertig sind, würde ich gern ein
paar Dinge darin nachschlagen.«
    Der Lieutenant klappte den schweren Wälzer zu, machte aber
keine Anstalten, ihn de Ramaira zu reichen. »Warum haben Sie

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