Alien Earth - Phase 2
erinnerte Paul daran, wie er als Kind einmal mit seinem Vater einen Ausflug zu einem Bauernhof gemacht hatte. Die Kühe hatten genauso gestunken.
Paul trat vor die Tür. Er war nackt, das Gras unter seinen bloßen Füßen fühlte sich wie ein weicher Teppich an. Die Blüten der Blumen leuchteten, wetteiferten mit den Sternen, die am Himmel standen. Die Blüten gewannen. Die Sterne waren winzig, kannten nur ihr kühles Weiß. Die Blüten leuchteten in mehr Farben, als Paul hätte benennen können, und sie waren groß, manche wie Fingerspitzen, andere wie Laternen in der Nacht. Sie waren von Menschen für Menschen gemacht. Sie existierten, damit Paul sich an ihnen erfreute. Hatte er Hunger, konnte er sie nach Belieben pflücken und essen. Nicht jede der Blumen würde ihm schmecken, aber jede Einzelne würde ihn nähren.
Paul ging weiter, zur Stelle, an der die Aliens ihre abgelegten Körper getötet hatten. Sie war kaum zu finden. Die Aliens hatten die Leichen davongeschafft und vergraben, so wie sie es von ihm und Marita gelernt hatten. Das Gras und die Blumen hatten sich mit der Hartnäckigkeit wieder aufgerichtet, die ihre Schöpfer ihnen in die Gene geschweißt hatten. Die Blumen wollten leben. Eine Handvoll dunkler Flecken, die auf den Halmen klebten, waren der einzige Beleg dafür, was an diesem Ort vor Stunden geschehen war.
Paul setzte sich neben einen der Flecken. Er spürte etwas Hartes, rückte zur Seite und betastete den Boden. Ein Stein? Er fand das Objekt, hielt es vor eine große Leuchtblüte. Nein, ein Knopf, unregelmäßig und grob. Von Hand gearbeitet. Und auf der Vorderseite war ein Bild eingeritzt. Es zeigte das Gesicht eines alten, bärtigen Manns. Er wirkte streng und gütig zugleich. Der Knopf musste einem der Gefangenen gehört haben.
Paul behielt den Knopf in der Hand und sah auf. Am Himmel standen die Sterne und funkelten kalt. Der Besitzer des Knopfs hatte bestimmt oft in den Nachthimmel gesehen und sich gefragt, ob es Leben zwischen den Sternen gab. Und wie dieses Leben aussehen mochte. Paul wenigstens hatte es getan, bevor er die Taschenwelten entdeckt und seine Träume neue Wege eingeschlagen hatten. Die Sterne waren ihm immer eine Hoffnung gewesen, ein Trost. Es gab so viele von ihnen, es musste zwischen ihnen ein besseres Leben geben, es musste ein anderes Leben geben. Und dieses andere Leben, vielleicht wäre es so fremd, dass mit ihm keine Verständigung möglich wäre, vielleicht aber auch nicht. Und konnte man sich mit anderem intelligentem Leben verständigen, würde es natürlich zu Missverständnissen kommen. Möglich, dass es über die Missverständnisse zu Gewaltausbrüchen käme, aber dabei würde es bleiben: bei Ausbrüchen. Wesen, denen es gelang, von einem anderen Stern zur Erde zu reisen, mussten längst Mechanismen entwickelt haben, um Gewalt zu begrenzen. Sonst hätten sie sich vor langer Zeit gegenseitig ausgerottet. Und außerdem: Worüber sollten sich Menschen und andere Wesen dauerhaft
streiten? Was sollten die Menschen besitzen, was andere so sehr begehrten, dass es zum Krieg kam?
Paul hatte lange überlegt, hatte mittels seiner Taschenwelten unzählige Szenarien durchgespielt und war auf nichts gekommen. Die Erde war ein Planet unter unzähligen, die Menschen eine Art unter unzähligen. Die Erde und ihre Menschen, sie hatten nichts zu bieten, was für eine andere Art Anlass zu einem Krieg sein konnte.
Er hatte sich geirrt. Die Menschen hatten etwas, das die Aliens so sehr begehrten, dass sie bereit waren, dafür zu töten: ihre Körper.
Paul zog die Knie an, legte den Kopf darauf und schloss die Augen. Er hatte geschafft, was er sich an dem Tag, als das Alien-Schiff über der Erde aufgetaucht war, vorgenommen hatte. Er hatte ergründet, was die Aliens zur Erde geführt hatte.
Körper. Behälter für ihre Seelen, die Aliens nach Gebrauch wie leere Flaschen wegwarfen.
Paul wünschte sich weg.
Zurück in den Berg? Das Korps hatte ihn dort gequält, aber das Korps hatte er wenigstens gekannt, und er war nicht allein gewesen. Er hatte seine Leiden, seine Gedanken mit Wolf geteilt. Doch das war vorbei. Wolf hatte sich ihm entzogen, Wolf hatte sich der ganzen Welt entzogen. Er war klüger als Paul. Er hatte die Aliens längst verstanden und die Flucht an den einzigen Ort angetreten, der ihm offen stand: in sich selbst.
Zurück zu Ekin? Sie hatten ein gutes Team abgegeben, sogar ein herausragendes, auch wenn er selbst und Ekin es stets abgestritten hätten. Sie
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