Alien Earth - Phase 2
müssen kämpfen. Wir werden kämpfen. Sie sind Leben, sie müssen kämpfen. Wir werden besser kämpfen als sie.«
Ein Aufschrei antwortete ihm.
»Und das ist unser Feind!«, rief der Alien aus. Eine Datenwand entstand hinter ihm aus dem Nichts, inmitten der Zeltkirche in San Francisco, in der sich eine Tausendschaft von Gläubigen versammelt hatte. Die Datenwand zeigte eine Maschine, stählern, mit harten Kanten und Ausbuchtungen, und aus jeder von ihnen ragte das Rohr eines Geschützes. Lichter
drangen aus Öffnungen im Stahl, zusammen ergaben sie eine satanische Fratze. Die Maschine machte einen Sprung nach vorn, stürzte sich auf die Versammelten. Tausend Gläubige warfen sich mit Schreckensschreien zu Boden. Einige Augenblicke lang, bis die Gläubigen wieder auf die Beine kamen, zeigte die Datenwand nur die Schwärze des Alls. Dann schälte sich ein Planet aus dem Dunkel, eine zweite Erde mit blauen Meeren und grünen Kontinenten.
»Und nun seht das Werk unseres Feindes!«
Die Maschine kam wieder in Sicht. Sie war ein Raumschiff. Die satanische Fratze leuchtete auf, dann traten die Geschütze in Aktion und verbrannten die winzige Insel des Lebens in der toten Unendlichkeit des Vakuums zu Asche.
»Dies war nur eine von vielen Welten, die ihnen zum Opfer fiel. Sie werden nicht zögern, auch die Erde zu verbrennen.« Die Datenwand blieb hell, zeigte die rauchende Wüste, während Pasong weitersprach. »Wir haben auf der Erde Zuflucht gesucht. Wir wollen, dass die Erde ein Ort des Lebens ist. Eure Feinde sind unsere Feinde. Unsere Feinde sind eure Feinde.«
Die Gläubigen schwiegen.
Pasong schloss: »Haltet euch bereit, der Jüngste Tag steht bevor!«
Ein Aufschrei aus tausend Kehlen antwortete ihm. Der Alien verneigte sich und gab Rudi das Zeichen zum Aufbruch. Sie mussten weiter, immer weiter. Und Rudi brachte Pasong zuverlässig weiter. Er flog und flog, schüttelte Hände, lächelte freundlich, hielt sich im Hintergrund. Es fiel nicht schwer. Nirgends erachtete man Rudi für wichtig genug, als dass man ihm mehr als flüchtige Höflichkeit erwiesen hätte. Der Alien überstrahlte ihn; spätestens dann, wenn er sprach, fanden sich die Menschen in seinem Bann.
Pasong variierte seinen Vortrag. Stets wusste der Alien über die Lage vor Ort Bescheid, darüber, was seine Zuhörer bewegte. Von Zeit zu Zeit verzichtete er auf den Feind aus dem All, wie er es in West-Malaysia getan hatte. Ganz verzichtete
er auf den Lichtblitz und darauf, den Körper zu wechseln. Als Schwarzer reiste er um die Welt und verkündete seine Botschaft, als Schwarzer trat er in einer Lagerhalle in Johannesburg vor eine Versammlung weißer Suprematisten. Sie bejubelten ihn, als bemerkten sie seine Hautfarbe nicht.
Oder vielleicht erging es ihnen wie Rudi: Sie waren gefangen.
Rudi war ein erfahrener Zuhörer. In Himmelsberg, der Endzeitkommune, in der er aufgewachsen war, war jeder Tag eine Abfolge von Schuften, Fortpflanzung und Reden gewesen. Rudi hatte gelernt, wegzuhören. Und er hatte gehört hinzuhören, zu hinterfragen, was er hörte.
Den israelischen Rebellen versprach Pasong die Wiedererrichtung des Staates Israel in den Grenzen von 2027, den Bürgern Russlands einen Stalinismus mit menschlichem Antlitz, dem kasachischen Kabinett einen schützenden Cordon sanitaire, den Straßenhändlern Rio de Janeiros die besten Standplätze, den Alien-Freunden in der Hamburger Lagerhalle den harmonischen Himmel auf Erden und den Gläubigen San Franciscos Armageddon.
Mit anderen Worten: Er log.
François Delvaux hatte allen Grund, dem Alien zu misstrauen. Jeden Morgen nahm Rudi sich vor, was er gesehen und gehört hatte, nach Freetown zu übermitteln. Jeden Abend, nachdem er Beatrice geschrieben hatte, musste er feststellen, dass er es irgendwie nicht geschafft hatte, jetzt einfach zu erschöpft war und dass er es am nächsten Tag erledigen würde.
Rudi nahm sich vor, Pasong zur Rede zu stellen. Aber irgendwie wollte ihm auch das nie gelingen. Nie schien sich der richtige Moment zu bieten. Der Terminplan war eng, ständig waren er und der Alien unterwegs, oft in Begleitung und damit nicht ungestört. Zu anderen Zeiten musste sich Rudi auf das Fliegen konzentrieren, oder Pasong fiel in einen tiefen, der Bewusstlosigkeit ähnelnden Schlaf.
Und dennoch … Rudi und der Alien verbrachten 24 von 24 Stunden des Tages miteinander. Es musste den passenden Augenblick geben, es sei denn … Hatte Pasong ihn in seiner Gewalt? Die Lichtblitze in
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