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Alien Earth - Phase 2

Titel: Alien Earth - Phase 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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wolle er eine Verneigung andeuten.
    »Wodurch hat er sie verdient?«
    »Durch sein Beispiel.« Der Alien machte eine Pause, als wäre damit alles erklärt. Als François nichts erwiderte, fügte er hinzu: »Lap-so hat nie gewollt, dass man ihm einen Schrein errichtet, der bald größer als die Stadt ist, die ihn beherbergt, noch, dass man ihn verehrt. Er hat einfach nur sein Leben leben wollen.«
    »Das ist eine Einschätzung, der ein guter Teil der Menschheit widersprechen würde.«
    »Ich weiß. Aber, verzeihen Sie mir die Feststellung, die
Menschen sind schlechte Beobachter ihrer eigenen Art. Sie haben nicht genügend Abstand, als dass es anders sein könnte. Sonst würden sie erkennen, dass Leben immer nur das Resultat der Bedingungen ist, die es vorfindet. Lap-so fand harte Bedingungen vor. Er war ein Bauer. Seine Familie baute Weizen auf der Lösshochebene der Provinz Shaanxi an. Die Korruption, die Inflation und die harten Winter setzten ihnen zu. Der Regen kam nur unregelmäßig. Aber Lap-so war dennoch zufrieden. Hätten es die Umstände erlaubt, er hätte sein ganzes Leben bescheiden als Bauer verbracht. Als er seiner Familie in den Zwanzigerjahren den Rücken kehrte, tat er es schweren Herzens. Doch ihm blieb keine Wahl: Mit jedem Jahr wurde der Regenfall unregelmäßiger, spärlicher. Er erkannte, dass er, sollte seine Familie eine Zukunft haben, künstliche Bewässerung brauchte. Bewässerung kostete Geld, und Geld gab es damals im Süden und Osten des Landes zu verdienen, entlang der Küste.«
    François blickte hilfesuchend zu dem Flyboy. Er kannte Pasong. Er hatte ihn nach Freetown gebracht. Was ging in dem Burschen vor? François brauchte einen Moment, ihn zu finden. Er hatte sich auf einen Stuhl im letzten Winkel des Raums gesetzt und hörte dem Alien mit großen, ausdruckslosen Augen zu.
    »Lap-so hatte Glück«, fuhr Pasong fort. »Er kam nach Zhangzhou. Anstatt in einer dunklen Fabrik seine Tage zu fristen, verbrachte er sie unter freiem Himmel in einer der vielen Blumengärtnereien. Lap-so, der bis dahin nur die Kargheit seiner Heimat kannte, sah die Schönheit, die sich in seiner neuen Existenz verbarg, und genoss sie. Er blieb für sich, sparte seinen Verdienst, um ihn seiner Familie zu schicken. Lap-so wusste, dass seine Zeit in Zhangzhou nur ein Übergang war, ein wertvoller Augenblick. In einigen Jahren würde er genug verdient haben, um nach Hause zurückkehren zu können. Und dann würde er im Kreise seiner Kinder und Enkel auf seine Zeit in Zhangzhou als das größte Abenteuer seines Lebens zurückblicken.«

    Und viele Millionen Menschen wären noch am Leben!, dachte François. Er hatte sich ständig mit seinen Eltern gestritten, aber immerhin hatte es den ein oder anderen Punkt gegeben, in dem ihre Einschätzungen übereingestimmt hatten. Lap-so war einer von ihnen gewesen.
    »Anfang der Zwanzigerjahre geriet das, was die Menschen ›das chinesische Wirtschaftswunder‹ nannten, ins Stocken«, sagte der Alien. »Die neu gegründeten USAA stellten die Öllieferungen Zug um Zug ein, ließen die Güter, die die chinesischen Fabriken herstellten, nicht mehr in ihr Land. Der Wohlstand der Küsten begann zu verpuffen. Lap-so erkannte früher als andere die Zeichen der Zeit und kehrte zurück nach Yan’an. Dort, glaubte er, würde er zwar in Armut, aber wenigstens in Frieden leben. Es sollte nicht sein. Die Taifun-Saison 2024 wurde zur schlimmsten seit Menschengedenken. An ihrem Ende waren große Teile von Shanghai und der Südostküste dauerhaft zerstört und überflutet. Lap-so erkannte die Bedeutung des Geschehens. Der Flut aus Wasser würde eine Flut von Menschen folgen. Mit seiner Familie trat er an, was Historiker später den ›Langen Marsch des Lap-so‹ nennen sollten. Dieser Marsch führte Lap-so über tausende Kilometer durch die Provinzen Gansu und Qinghai, durch glühende Wüsten und eisige Gebirge. Schließlich, nach zwei Jahren, fand Lap-so für seine Familie eine neue Heimat in den Bergen des Altai, am äußerten Rand der Grenzprovinz Xinjiang. Dort, so glaubte Lap-so, werde er mit seiner Familie in Frieden leben können.«
    Pasong ging zu dem Tisch, auf dem ein Angestellter gekühltes Wasser serviert hatte, und schenkte sich ein. Er trank das Glas in einem Zug aus.
    »Es war der größte Irrtum seines Lebens. Die Flüchtlingsflut schwoll immer weiter an, verästelte sich selbst in die abgelegensten Regionen. Der Hunger kehrte nach China zurück. Es kam zu Aufständen, zu

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