Alien Earth - Phase 2
gleich. Als sie sich verbeugten, zeigten die Gewehrläufe auf Rudi und Pasong. Rudi unterdrückte den Impuls, sich zu ducken, und erwiderte die Geste.
»Ich danke Ihnen für die Großzügigkeit, uns zu empfangen«, sagte Pasong umständlich. Die Worte wollten nicht passen. Der Alien trug ein Paar ausgelatschter Sandalen, eine halblange, löchrige Hose und ein ausgewaschenes T-Shirt. Seine schwarze Haut schien angesichts der bleich geschminkten
Gesichter fehl am Platze. Rudi war noch nie in Singapur gewesen, aber nach allem, was er gehört hatte, setzte man in der Stadt Leute wie Pasong für gewöhnlich umgehend wieder in das Flugzeug, mit dem sie gekommen waren. Singapur war wählerisch und konnte sich dies auch leisten.
Doch Pasong war nicht irgendwer. Er war der Vertreter der mächtigen Human Company, die den direkten Draht zu den Aliens besaß und damit den Zugang zu ihrem übermenschlichen Know-how. Pasong hätte nackt, mit einer Erektion und laut stöhnend aus dem Flugzeug treten können, er wäre mit exakt derselben Höflichkeit empfangen worden.
Pasong griff in eine Tasche, holte ein zweites Kartenbündel hervor und zählte ein halbes Dutzend Karten ab. Er reichte sie dem Mann, der ihm am nächsten stand. Der Mann nahm sie, verneigte sich und verteilte sie unter seinen Begleitern. Rudi folgte Pasongs Beispiel. Als er seine Karten übergab, gelang es ihm, unauffällig einen Blick auf sie zu werfen. »R. Rasmussen«, las er. »Personal Assistant to Project Coordinator Mr. Valerio Vajas.«
»Es ist uns immer eine Freude, Vertreter der großen Human Company zu empfangen«, sagte der vorderste der Puppenmänner. Sein Name, so verriet seine Visitenkarte, war Han-Chi-Wu, Minister of Commerce and internal & external Security. Sie hatten einen der mächtigsten Männer der Festung Singapur vor sich, vielleicht den mächtigsten überhaupt. Wu verneigte sich erneut, als handele es sich bei ihm um einen unbedeutenden Bediensteten, und deutete nach links. »Wir haben uns erlaubt, eine kleine Erfrischung für Sie vorzubereiten. Wenn Sie …«
»Wunderbar!«, rief Pasong. »Endlich werden meine Gebete erhört! Ich verdurste!«
Sie blieben im Terminal. Wu führte sie einen gläsernen Gang entlang, in dem sie ein Laufband erwartete. Rudi versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er das erste Mal in seinem Leben ein Laufband benutzte. Auf der Piste zu seinen Füßen rollte ein schweres Transportflugzeug an den Start. Es
besaß keine Markierungen, die auf seine Herkunft oder sein Ziel hingedeutet hätten. Singapur legte Wert auf Diskretion.
Ein Besprechungsraum erwartete sie. Ein großer Tisch, unbequeme Stühle und Krüge mit Wasser. Die Datenwand gegenüber der Tür zeigte die Nationalflagge: zwei horizontale Streifen, der obere rot, der untere weiß. Auf dem Rot ein wei ßer Halbmond und fünf Sterne. Zwei mit Glöckchen und Schellen geschmückte, golden glitzernde Gewehre im Vordergrund, deren Läufe sich kreuzten: TAR-21, das Emblem des neuen Singapur, der Festung.
Sie setzten sich. Hostessen in langen Röcken erschienen und servierten grünen Tee, Fisch und Reis. Rudi hätte erwartet, dass sie ebenso dick geschminkt waren wie die Männer, aber sie trugen nur einen Hauch von Make-up. Dennoch wirkten sie nicht weniger puppenhaft.
»Wie geht es unserem guten Freund, Mr. Delvaux? Wir haben ihn lange nicht gesehen«, erkundigte sich Wu, nachdem Pasong von den Getränken und Speisen probiert hatte.
»Den Umständen entsprechend«, antwortete Pasong. »Der Verlust seines Partners Jan de Hart macht ihm immer noch zu schaffen.«
Wu nickte. »Es ist schwer, einen engen Geschäftsfreund zu verlieren. Es reißt eine Wunde in das Herz eines Menschen, die nicht mehr zu heilen ist.«
»Das ist wahr. Aber erfreulicherweise heißt es, dass Mr. Delvaux vor Kurzem für sich zu einer Art Abschluss gekommen sei.«
»Wie erfreulich.« Wu nippte an seinem Tee. »Es ist zu hoffen, dass er mit erneuerter Kraft die Geschicke der Company leiten wird.«
Der Empfang zog sich hin. Rudi schwieg und aß von dem Fisch und dem Reis. Beides schien nicht gewürzt und beides schmeckte beinahe unwiderstehlich. Pasong und Wu tauschten in der Zwischenzeit weiter Höflichkeiten aus. Pasong erkundigte sich nach dem Stand der Landgewinnungsarbeiten, Wu nach dem Gedeihen von Freetown. Pasong lobte die Qualität
der Arbeit, die Singapur der Company lieferte, Wu lobte das Alien-Know-how, das seinem Land über die Company zufloss. Pasong erläuterte,
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